Valentinaden (1. WA)

1. Wiederaufführung (2.), davor 1990/91 gespielt

VALENTINADEN

10 Szenen von Karl Valentin
Plattdeutsch von Fritz Wempner und Arnold Preuß

Inszenierung und Bühnenbild: Jürgen Tapken

Darsteller
Barri Brinkhoff
Frieda Harms
Herta Tapken
Annchen Warrings-Konken
Michael Hillers
Claus Miehlke
Rolf-Peter Lauxtermann
Horst Karstens
Heinz Zomerland

Valentinaden (WE)

Oldenburgische Erstaufführung

VALENTINADEN

10 Szenen von Karl Valentin
Plattdeutsch von Fritz Wempner und Arnold Preuß

Inszenierung und Bühnenbild: Jürgen Tapken

Darsteller

Barri Brinkhoff
Frieda Harms
Herta Tapken
Annchen Warrings-Konken
Michael Hillers
Claus Miehlke
Rolf-Peter Lauxtermann
Horst Karstens
Heinz Zomerland

Sie spielten alle in 10 verschiedenen Szenen mit (Annchen Warrings-Konken, Heinz Zomeland, Claus Miehlke, Rolf-Peter Lauxtermann, Barry Brinkhoff, Michael Hillers, Horst Karstens, Herta Tapken, Frieda Harms)

WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 1. September 1990

Valentin auf Platt nicht platt

Niederdeutsche Bühne eröffnete Spielzeit in F'groden

Von Barbara Schwarz

Mit Valentinaden, Spielszenen des genialen Volkskomikers Karl Valentin (1882 1948), eröffnete die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven am Donnerstagabend die neue Spielzeit. Ausnahmsweise nicht im Stadttheater, sondern aus Anlaß des 50. Geburtstages des Stadtteils Fedderwardergroden in der Aula der Agnes Miegel Schule, in der die Niederdeutschen auch sonst regelmäßig mit ihren Produktionen gastieren.

Zehn Szenen hatte Bühnenleiter Arnold Preuß ausgesucht. Jürgen Tapken versuchte sich erstmals als Regisseur. Man spürte, man sah, daß Tapken Valentin verehrt und versteht. Nicht Nachahmung des Linksdenkers Valentin und seiner ebenso lieben, wie gescheiten und witzigen Partnerin Liesl Karlstadt war sein Anliegen, sondern aus dem Material wurden ganz eigenständige, typisch niederdeutsche Kabinettstückchen mit tiefsinnigem Humor. Fein ausklamüsert und keinesfalls derb anbiedernd und schenkelklopfend. In der Apotheke versuchte Claus Miehlke mit zunehmender Verzweiflung als Doktor einem Kunden Michael Hillers eine Medizin für sein schreiendes Baby zu verkaufen. Im Schirmladen brachte Rolf Lauxtermann als Kunde Annchen Warrings Konken, die Ladnerin, zur Verzweiflung, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob er denn nun seinen Fetzen von Regenschirm vom Regenschirmreparaturmeister repariert haben wollte.

Auf dem Bahnhof verpaßte Herta Tapken den Zug nach Italien und fand dafür ihren einst nach Südamerika entwichenen Mann wieder. "Wo ist meine Brille?" fragte Horst Kartens verzweifelt seine Teure, der er zuvor einen Brief an einen verfeindeten Freund diktierte. Im Hutladen wurde Kunde Heinz Zomerland von der Putzmacherin Frieda Harms darauf gebracht, daß es Mode ist, ohne Hut zu gehen. Vor Gericht brachte Rolf Lauxtermann die Richterin dazu, eine Verbalinjurie auszustoßen. Der Theaterbesuch von Horst Karstens und Barry Brinkhof ein Kabinettstückchen des Scheiterns. Daß Ohrfeigen teuer zu stehen kommen wann sie nicht den Richtigen treffen, führten Claus Miehlke und Rolf Lauxtermann vor.

Über das "n" in den berühmten Semmel(n)knödeln gerieten sich Heinz Zomerland und Annchen Warrings Konken in die Haare, und über die zu heiße Suppe und den verschmorten Hasenbraten Frieda Harms und Horst Karstens. Musikalisch umrahmt und verbunden mit Walzern und Polkas auf dem Schifferklavier wurden die Szenen von Konny Efferts und Gaby Fritz.Viel Beifall für einen kurzweiligen Abend, der in seinen besten Momenten Valentins Wortklauberei und seinen grüblerischen Humor durchblitzen ließ. Hübsch auch der Einfall, die Szenen mittels weniger Möbel und mit farbigen Rollbildern zu illustrieren.

Swieg still, Jung! (WE)

Wilhelmshavener Erstaufführung

SWIEG STILL, JUNG!

(Schweig Bub!)
Volksstück in fünf Akten von Fitzgerald Kusz
Niederdeutsche Übersetzung Walter A. Kreye

Inszenierung: Arnold Preuß
Bühnenbild: Arnold Preuß, Klaus Panka

Beleuchtung: Peter Pfaus
Requisiten: Marga Goldenstein
Inspizient: Bernhard Bertram
Souffleuse: Katrin Schmidt
Bühnenbildbau: Walter Borraß, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Frank Schmidt, Günter Neverla, Klaus Panka
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich

Rollen und Darsteller
Fritz, der Konfirmand - Thorsten Könnecke
Grete, sien Mudder - Heidi Rausch
Hans, sien Vadder - Ralf-Rüdiger Bayer
Unkel Willi - Horst Jönck
Tante Anna - Karin Heyel
Gerda, een Bekannte - Margot Andrews-Jäkel
Manfred, ehr Mann - Manfred Janßen
Hannelore, een Kusien - Roswitha Bertz

Thorsten Könnecke is de Jung de egalweg sien Swiegstill hollen schall

FRIESIESCHER HAUSBOTE

Volksstück und Erfolgsstück

Swieg still ,Jung' in Wilhelmshaven

Wilhelmshaven (N). Wie Weihnachten bricht die Konfirmationszeit über die Familien herein. Ein feierlich festlicher Anlaß ursprünglich zur Aufnahme der jungen Christen als mündige Glieder in die Glaubensgemeinschaft. Vorwand und Nebensache ist inzwischen der kirchliche Teil der Konfirmation geworden. Und so fühlen sich die zunehmend von der Eß und Trinkzur Saufund Freßgesellschaft werdenden Verwandten und Bekannten durch die mögliche Ankunft des Herrn 'Paster' geradezu bedroht und nehmen in Erwartung seines Auftauchens hastig feierliche Haltung an. Doch das Warten auf den 'Paster' ist ein wenig wie das ' Warten auf Godot'.

Abgesehen von solchen gelegentlichen Störungen der Bierund Weinseligkeit geben sich die Versammelten zunehmend unbekümmert menschlich und ißt, trinkt und streitet sich dem Höhepunkt entgegen, wo man endlich 'dat Swien' rauslassen kann. Erwachsene unter sich, wie wir es alle kennen. Wäre da nicht noch der jungendliche Konfirmand Fritz. Das mütterliche Gebot "Swieg still, Jung" und die Androhung des väterlichen Machtworts weisen ihm die (fast) stumme Hauptrolle auf seiner eigenen Konfirmantionsfeier zu, bis er dann endlich frühzeitig ins Bett geschickt werden kann und die Erwachsenen keine Rücksichten mehr zu nehmen brauchen. "Frag nich so veel, Jung. Ick habb vandag gor keen Tiet för di." Dieses Mutterwort charakterisiert treffend die Feiersituation.

Kaum hat sich das Gespräch der Erwachsenen einmal zu Konfirmationssprüchen hin verirrt und der Konfirmand mit seiner Prüfungsaufgabe über das Sakrament der Taufe zu Wort kommen darf, weist ihn der Vater wegen der Störung des Sauf und Freßgelages ungehalten zurecht: "Nu hol doch endlich mal dien Sabbel; wi sünd doch nich in de Bibelstund." Ungestört können sich die Erwachsenen dem Eß und Trinkritual hingeben. "Just hebb wi to Middag eeten un denn Koffie drunken un nu gifft all wedder wat... Ick bin an Platzen."

Gaumenfreude und Augenweide

Und das Publikum nimmt daran lebhaft Anteil. "Die sitzen da immer noch. Die sind immer noch am Essen. Das gibt's doch gar nicht." Wie amüsant es sein kann, anderen beim Essen und Trinken zuzusehen, dazu gibt Arnold Preuß' Inszenierung von 'Swieg still, Jung', dem Volksstück von Fitzgerald Kusz in der Übersetzung von Walter. A. Kreye vergnüglich viel Gelegenheit. Ein wenig an das berühmte 'Abendmahl' von Leonardo da Vinci erinnernd steht mitten auf der Bühne eine mächtige Festtafel; dahinter aufgereiht die Festgemeinde. Synchron und gegeneinder versetzt löffelnd, vielstimmig schlürfend, mimisch ausdrucksvoll kauend, das Besteck spalierähnlich zum Empfang des 'Paster' erhebend, werden die Gaumenfreuden auf der Bühne zur Augenweide im Zuschauerraum. Und die immer von neuem üppig eingedeckte Festtafel und die Eß und Trinkleistungen des Ensemble sind allemal gut für Lachen und Szenenapplaus. Nicht zu vergessen der gekonnte Rülpser des Konfirmanden am Ende des ersten Aktes.

Heißer Strip

Zwischen Essen und Trinken bleibt noch Zeit zum Reden. "Soveel ward anners dat ganze Johr bi us nich snackt", stellt die Mutter recht erschöpft fest. Natürlich drehen sich die Gespräche um Essen und Trinken und Rezepte. Auch ein wenig um die Kirche. Und wo ein paar Männer beisammen sind da geht es natürlich auch um die Frauen. Und über Ausland und Urlaub landet man ganz elegant bei Darminfektionen und Problemen mit dem Stuhlgang. Beruf und Bildung, Krieg, Nazis und Gefangenschaft und Emanzipation dürfen nicht fehlen. Bis hin zum handfesten Ehestreit. Über 'schätterige' Witze steigert es sich zum heißen Strip auf der Festtafel.

Komödiantisch bis clownesque

Erwachsene in ihrer unbeweglichen Hilflosigkeit, mit ihren Verletztheiten und Aggressionen, mit ihrer Sprachlosigkeit bei all der vielen Rederei. Ein anrührend traurig komisches Stück. Großartig komödiantisch bis diszipliniert clownesque Horst Jöncks Unkel Willi. Oft derb dumm, doch immer sympathisch zeichnet er diese zentrale Figur gekonnt und überzeugend. Selbst in der Volltrunkenheit und im zur Zwangsjacke umfunktionierten Mantel. Auf sein Spiel gut abgestimmte Partnerin Karin Heyel mit ihrer Tant Anna. Mit kräftigem, aber differenziertem Spiel, die Deftigkeit der Tant Anna genießend, ergänzt und kontrastiert sie Horst Jöncks prächtiges Spiel. Randfigur, sprachlos fast so beginnt Roswitha Bertz die Hannelore. Gut dosiert steigert sie ihr Spiel und verwandelt ihre Figur vom schüchternen Aschenputtel zum wachgeküßten, fast männermordenden, mondänen Dornröschen. Heftig affektiert in Sprache, Gestik und Mimik zeichnet Margot Andrews Jäkel Gerd die 'Möchte gern Gebildete' Nach dem Motto: Das Hoch- deutsch hat mir so gepackt, das läßt mir gar nicht mehr los. Hochzivilisiert ist der Manfred Janßen. Ein wenig wie aus einer anderen Welt des Bildungsbürgertums, bis er dann gedämpft menschlich zu werden wagt, unter dem Einfluß des Alkohols und der weiblichen Reize der Hannelore.

Konfirmantion oder Karneval

Chauvi, autoritärer Vater und Spießer ist Hans, der Vater des Konfirmanden. Ralf Rüdiger Bayer gelingt es diese Figur deutlich herauszuspielen, ohne sie zu überzeichnen. Fleißig bescheidene Hausfrau auf Harmonie bedachte Ehefra verschämt stolze Mutter und dennoch ein wenig verunsichert eitel modische Frau verkörpert Heidi Rausch Grete die Mutter. Und schließlich Fritz, der Konfirmand. Thorsten Könneke hat es nicht leicht. Die meiste Zeit muß er schweigen, entsprechend dem Titel des Stückes. Aber pantomimisch bleibt er stets präsent spielt mit, und er bekommt verdienten Szenenapplaus beim Rezitieren des Sakraments der Heiligen Taufe. Ein betont schlichtes Bühnenbild, das das Spiel der krampfig verlogenen Gesellschaft unterstützt. Amold Preuß hat mit seiner Inszenierung beachtliche Akzente gesetzt. Wenn Tante Anne auch mehrfach warnt: "Hier is Kon firmatschon un kien Kamival.", so wird sich der Zuschauer bei dem vergnüglich hintersinnigen Volksstück von Fitzgerald Kusz nach zwei unterhaltsamen Stunden seine eigene Meinung bilden können, auf welcher Art Veranstaltung er denn nun war.

Es geht hoch her bei der Konfirmation, die meisten sind duun oder schlafen (v.l. Karin Heyel, Heidi Rausch, Ralf-Rüdiger Bayer, Roswitha Bertz, Horst Jönck)

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Der Konfirmand muß schweigen

Niederdeutsche Bühne brachte plattdeutsches Zeitstück

Von Theodor Murken

Fritz ist konfirmiert. Die kirchliche Feier hat ihn, wie man gelegentlich erfährt, tief beeindruckt. Nun sitzt die Familie mit Anhang am Eßtisch: Die Eltern, Onkel und Tante, eine Kusine, zwei Bekannte, vier Frauen, vier Männer. Für den Pastor, den man eingeladen hat, ist noch ein Stuhl frei. Alle Löffeln die Suppe.So weit ist alles gut und schön. Es hat Geschenke gegeben und viele Blumen. Beim Braten kommt die Unterhaltung richtig in Gang. Es kann nicht verborgen bleiben: Sie strotzt von Trivialität. Zwischendurch will auch der Konfirmand etwas sagen: "Swieg still, Jung", fahren ihn seine Eltern an.

"Swieg still Jung" so hat Walter A. Kreye in seiner plattdeutschen Übersetzung das Volksstück betitelt, das 1976 der 1944 in Nürnberg geborene Lyriker und Stückeschreiber Fitzgerald Kusz unter dem Titel "Schweig Bub" verfaßt hat. Es hat in den verschiedensten deutschen Mundarten, berlinisch, bayerisch, rheinländisch, hessisch und schließlich auch in der plattdeutschen Sprache die Bühne erobert.

Volksstücke müssen ja nicht unbedingt vulgär sein, aber hier ist es wohl eine Ausnahme. Das ergibt sich aus der Situation. Selbst, wenn einmal andeutungsweise von Religion und Kirche die Rede ist, geht das schnell unter. Der Pastor wäre sich sein Stuhl blieb leer verloren vorgekommen.

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven hat das Stück als letztes der Spielzeit, gerade rechtzeitig vor den Konfirmationsterminen herausgebracht, und wenigstens im (lobenswerten) Programmheft Beispiele gegeben, wie man eine Konfirmationsfeier gestalten kann. Der Bühnenleiter Arnold Preuß inszenierte das Stück. Alles spielt sich in einem schlicht gehaltenen Bühnenbild ab mit weißem Hindergrund. Den Darstellern wird allerhand abverlangt. Wenn der Konfirmand auch zu schweigen hat, so hat er darstellerisch doch einiges zu bewältigen, und das machte Thorsten Könnecke als Fritz ausgezeichnet.

Die Männer (Ralf Rüdiger Bayer als der polternde Vadder, Horst Jönck als der überschlaue Onkel, Manfred Janßen als Bekannter, der vor allem beim Skat seinen Mann stand) kamen in Form, je zunehmender sie die Betrunkenen zu spielen hatten.

Von den Frauen hatte die Kusine Hannelore auch zu tief ins Glas geguckt. Roswitha Benz mußte in dieser Rolle einige Szenen zum Besten geben, die schauspielerische Kunst forderten. Karin Heyel verstand sich als Tante Anna in dem Geschick, immer das Wort zu behalten, was der Konfirmand zu wenig, sprach sie zuviel. Margot Andrews Jäkel war die Aufgabe zugefallen, hochdeutsch nicht nur geziert, sondern auch falsch zu sprechen.

Wie das bei solchen Familienfeiern so ist, hatte die Mutter des Konfirmanden die meiste Arbeit und die größte Last, in diesem Stück aber auch den größten Ärger durch ihren Mann, der aus dem Volksstück fast ein Drama machte. Diese Rolle lag bei Heide Rausch in besten Händen, als ein ruhender Pol im bewegenden Ablauf des Essens, Trinkens. Das fast vollbesetzte Haus nahm das Stück, mit dem der Autor den Menschen einen Spiegel vorhält, mehr als Burleske auf, viele amüsierten sich auch da, wo es nichts mehr zu lachen gab, eher ein Anlaß zum Traurigsein war. Doch ist anzunehmen, daß so mancher auch nachdenklich nach Hause gegangen ist.

Sie philosophieren über Gott und die Welt (Ralf-Rüdiger Bayer, Roswitha Bertz, Horst Jönck)

JEVERSCHES WOCHENBLATT

Eingeladen macht nicht dick sagte sie und aß

Niederdeutsche Bühne erhielt tosenden Beifall für das Stück "Swieg still, Jung`

(js) Wilhelmshaven. Als sich am Sonntagabend bei der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven zum fünften und letzten Mal in der Spielzeit 1989/90 der Premierevorhang hob, hörte man nur ein lautes Schlürfen. Im Dunkeln konnte man zuerst nur die Umrisse einer kleinen Gesellschaft erkennen, die um einen großen runden Tisch saßen und speisten. Allmählich wurde es auf der Bühne heller, das Schlürfen nahm zu und zum Vorschein kamen acht Personen, die eine Konfirmation feierten und genüßlich, die ach so gut schmeckende "Klütensuppe" löffelten. "Wann heff wi dat letztmol, so'n lekker Klütensopp hat", fragt die geladene Tante Anna ihren Mann Onkel Willi und eröffnet damit eine Gesprächsrunde, die es in sich hat. "Eingeladen macht nicht dick", meint sie lakonisch weiter, als man zum Thema Abnehmen gelangt und läßt sich den Braten schmecken.

Vom Mittagessen bis zum nächtlichen Mahl wird hier eine Konfirmationsfeier dargestellt, wie sie hier und da, vielleicht bei manch' einem im Saal sitzenden Zuschauer, wenn auch nur Auszugsweise, zugetragen hat. Wenn einem zu Beginn der Vorstellung auch kurz der Gedanke aufkam, nun zwei Stunden lang ein langweilig satirisches Wortgeplänkel über Gott und die Welt über sich ergehen lassen zu müssen, mußte bereits nach dem ersten Akt den Darstellern Abbitte tun. Denn was die Niederdeutschen mit ihrem Volksstück "Swieg still, Jung" dem Publikum darbot, war etwas Einzigartiges, das immer wieder mit Beifall auf offener Szene und einem tosenden Schlußapplaus bedacht wurde.

"Der Konfirmand kommt ja gar nicht zu Wort! Auf den wird nur so eingesprudelt. Als Konfirmandwird man abgeschoben irgendwie, wenn die Verwandten zusammen sitzen, eigentlich sollte er ja im Mittelpunkt stehen! Konfirmand Jahrgang 1979", so steht es unter "Erinnerungen an die Konfirmation" im Programmheft. Und so ergeht es auch dem Konfirmanden Fritz in dem Volksstück von Fitzgerald Kusz. Da sitzt er nun an der großen Tafel zwischen Onkel und Tante, einer Kusine, seinen Eltern und einem befreundeten Ehepaar. Und die reden und reden und essen und trinken und reden und sagt er etwas, heißt es nur "Swieg still, Jung". Kein Thema wird ausgelassen, die Gesprächspalette reicht vom Abnehmen über Dallas bis zum Kirchengeld und schließlich kommt man zum Thema Nr. 1 dem "Sex". Deftige Witze bleiben nicht aus, der Ehekrach ist vorprogrammiert und dem Alkohol mächtig zugesprochen, kommt es als Höhepunkt in den Nachtstunden noch zu einem "Striptease" und das alles auf einer Feier, die einem 14jährigen gewidmet ist, aber der ist ja schon längst im Bett.

Dem Regisseur Arnold Preuß ist es wieder einmal gelungen, ein bereits in vielen Mundarten erfolgreiches Stück, dem niederdeutschen Publikum näherzubringen. Das von Walter A. Kreye ins Plattdeutsche übersetzte Volksstück ist reich an Wortgeplänkel, teils humorvoll, teils vulgär und auch nachdenklich stimmend. Es lebt durch die hervorragende Darstellung der einzelnen Festteilnehmer. Thorsten Könnecke als Konfirmand Fritz, hatte zwar nicht viel zu sagen, doch seine Darstellung des fast "Schweigsamen" war hervorragend. Seine Tante Anna, ausgezeichnet interpretiert von Karin Heyel, war das krasse Gegenteil, ihr Mundwerk stand nicht still, immer brachte sie Stimmung in die Unterhaltung. Margot Andrews Jäkel spielte die Bekannte Gerda, die immer vom Abnehmen sprach, aber eine Salzstange nach der anderen genüßlich knapperte. Roswitha Bertz als Kusine Hannelore, hatte die betrogene Ehefrau zu spielen, was ihr auch gut gelang. Mit ihrem Spriptease brachte sie die "Fete" ganz schön auf Touren. Die Rolle der Hausfrau und Mutter meisterte Heidi Rausch. Immer wieder sorgt sie dafür, daß alle genug zu Essen und Trinken haben und hat dadurch die größte Last des Tages zu tragen. Der von ihr und ihrem Mann Hans (Ralf Rüdiger Bayer) inszenierte Ehekrach gab dem Volksstück einen Hauch von Dramatik. Bleibt nur noch Onkel Willi (Horst Jönck) und den Bekannten Manfred (Manfred Janßen) zu erwähnen, die gemeinsam mit Vater Hans ausgiebig den Alkohol zusprachen und nicht ganz schuldlos daran waren, daß die Festlichkeit allmählich außer Kontrolle geiet.

Mudder Mews (WE)

2. Platz beim Willy - Beutz - Schauspielpreis

Wilhelmshavener Erstaufführung

MUDDER MEWS

Schauspiel in fünf Akten von Fritz Stavenhagen
Bearbeitung von Günther Siegmund

Inszenierung: Horst Jönck
Bühnenbild: Horst Jönck

Beleuchtung: Peter Pfaus
Requisiten: Marga Goldenstein
Inspizientin: Helga Borraß
Souffleuse: Annchen Warrings-Konken
Bühnenbildbau: Walter Borraß, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Frank Schmidt, Günter Neverla, Klaus Panka
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich

Rollen und Darsteller
Mudder Mews - Rika Jung
Willem Mews, Seefischer - Wilfried Pampuch
Hugo Mews, Fischerknecht - Jürgen Tapken
Lisbeth Nibbe geb. Mews - Wilma Welte
Elsbe Mews - Marion Zomerland
Lütt Hein - Björn Pampuch
Kinner - Bianka Vogt, Karin Gerdes,
Heike Lauermann, Kai Lauermann, Britta Pampuch, Matthias Welte und Meike Zomerland.

Mudder Mews - hartherzig, aber ausdrucksstark (Rika Jung in der Titelrolle)

JEVERSCHES WOCHENBLATT

Begeisterter Applaus für die Niederdeutschen

Rika Jung und Marion Zomerland hervorragende Darsteller bei "Mudder Mews"

von Jutta Schmidt

Wilhelmshaven. Eine eindrucksvolle und zu Herzen gehende Aufführung sahen am Freitagabend die Zuschauer der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven. Für eine hervorragende Darstellung des Dramas "Mudder Mews" erhielten die Niederdeutschen langanhaltenden Schlußapplaus. Neben einer ausgezeichneten Rika Jung als Mudder Mews erlebte das Publikum eine beeindruckende Marion Zomerland in der Rolle der Elsbe.

Als Fritz Stavenhagen "Mudder Mews" zu Papier brachte, schrieb man das Jahr 1903. Die Tragödie in fünf Akten ist ganz und gar realistisch, denn die Finkenwarder Umwelt war dem Dichter von seinem früheren Aufenthalt auf der Elbinsel vertraut. Die Figur der Mudder Mews hatte er dort selber erlebt. Auch Mutter und Schwester haben dem Dichter mit den kleinen häuslichen Streitigkeiten bei diesem hochkarätigen Schauspiel Modell gestanden.

Als am 10. Dezember 1904 die Uraufführung von "Mudder Mews" stattfand, war der Autor bereits schwer krank. Das Stück wurde zwar kein großer Erfolg, brachte dem Schreiber aber doch einen materiellen Gewinn und lange Zeitungsberichte machten Stavenhagen berühmt. Man forderte mehr von ihm, das Blatt schien sich zu wenden. Zu spät. Am 9. Mai 1906 starb Fritz Stavenhagen im Alter von 29 Jahren. Was er zurück läßt sind nur ein paar wenige Stücke und das wohl beste Niederdeutsche Drama, das spannende Schauspiel "Mudder Mews".

Auch heute, 85 Jahre nach der Uraufführung, ist das Thema des Stückes noch so aktuell wie zur Zeit der Entstehung. Jung und alt unter einem Dach, daß verträgt sich nicht, sagt man und der heutige Wohlstand macht es auch fast nicht mehr erforderlich. Doch früher war es ganz normal, daß die Alten und die Jungen zusammenlebten, was nicht ohne Reibereien blieb. Besonders schwer hatten es dann die jungen Frauen mit ihren Schwiegermüttern.

Elsbe ist eine dieser Frauen, die mit ihrer Schwiegermutter zusammen leben muß, während ihr Mann Willem und dessen Bruder Hugo, der auch bei ihnen wohnt, die meiste Zeit auf See sind. So sind Elsbe und ihre Kinder den Schikanen der vom Schicksal verbitterten "Mudder Mews" schutzlos ausgeliefert. Still erleidet Elsbe ihr Los bis "Mudder Mews" auch noch ihre Ehre angreift und behauptet, ihre Kinder seien nicht von Willem. Verzweifelt kämpft Elsbe gegen ihre Schwiegermutter und.verliert, weil ihr Mann das ganze Ausmaß der Tragödie nicht begreift. Immer wieder nimmt er seine Mutter in Schutz, bis Elsbe ihn vor die Wahl stellt: entweder Mutter oder sie. Doch Willem bleibt bei seinem Entschluß, Mutter bleibt. Und so gibt es für Elsbe nur einen einzigen Ausweg.

Wie sehr sich die Darsteller mit den einzelnen Rollen auseindersetzten und wie stark sie die spielenden Personen verkörperten, konnte man am Schluß der Aufführung sehen. Ihre Gesichter wirkten erschöpft von der zweifellos anspruchsvollen Aufführung. Die Traumrolle der "Mudder Mews" wurde von Rika Jung in hervorragender Weise dargestellt. Obwohl es schwer ist, die sonst so humorvolle Spielerin, mit einer so verbitterten Frau zu identifizieren, meisterte Rika Jung die durch diese Rolle an sie gestellten Anforderungen mit großem schauspielerischem Talent. Die Rolle förmlich auf den Leib geschrieben wurde Marion Zomerland. Sie spielte die leidende von der Schwiegermutter tyrannisierte Elsbe mit einer solchen Perfektion, daß man förmlich mit ihr litt. Ihre verzweifelten Kämpfe um den Fortgang der Mudder Mews aus dem Hause ihres Mannes forderten von Marion Zomerland viel Kraft für diese Rolle.

Mit Jürgen Tapken als Schwager Hugo Mews hatte sie einen ebenso eindrucksvollen Partner an ihrer Seite, der sie nicht nur heimlich liebt, sondern von der Mutter ebenso abwertend behandelt wird. Der einzige, der Elsbe hätte helfen können, wäre ihr Mann Willem, verkörpert von Wilfried Pampuch. Doch der sieht nicht wie Elsbe leidet, versteht nicht warum sie so verstört ist bis es schließlich zur Tragödie kommt. Weitere Darsteller waren Lisbeth Mews (Wilma Welte) als temperamentvolle Schwester von W llem und Hugo sowie Lütt Hein (Björn Papuch) als Sohn von Elsbe und Willem und die Kinder Bianka Vogt, Karin Gerdes, Heike Lauermann, Kai Lauermann, Britta Papmuch, Matthias Welte.

Elsbe (Marion Zomerland) wurde von Hugo (Jügen Tapken)  aus dem Wasser gezogen, Willem (Wilfried Pampuch) ist stumm vor Entsetzen

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Ein altes Drama wurde wiedererweckt

Die Niederdeutsche Bühne brachte erstmalig Stavenhagens "Mudder Mews"

Von Theodor Murken

Horst Jönck inszenierte für die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven zum ersten Male in ihrer fast 60jährigen Geschichte das Drama "Mudder Mews" von Fritz Stavenhagen. 1903 geschrieben, 1905 uraufgeführt, 1920 von Hamburgs Niederdeutschen Bühne Dr. Richard Ohnsorgs erstmals, 1922 von einer plattdeutschen Berufsbühne nochmals in Wilhelmshaven gespielt, hat das Stück in der Bearbeitung von Günther Siegmund nun jetzt eine eindrucksvolle Auferstehung erlebt. Fritz Stavenhagen, 1876 in Hamburg geboren, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und schon 1906 im Alter von 29 Jahren einem ererbeten Gallenleiden erlegen, schrieb dieses, sein bestes Stück, in der Zeit des "konsequenten Naturalismus". Gerhart Hauptmann, Hermann Sudermann, Henrik Ibsen, August Strindberg waren die Favoriten des Theaters. Stavenhagen war der erste der niederdeutschen Dichter, der sich hier einreihte.

Das dramatische Geschehen in einem Finkenwärder Fischerhaus, das er in "Mudder Mews" mit äußerster Konzentration und suggestiver Kraft ablaufen läßt, ist nicht das Wesentliche des Stückes. Viel mehr ist es die Zeichnung der Menschen, ihrer Charaktere, ihres Denkens und Fühlens. Tiefgreifend sind die Konflikte in der Fischerfamilie mit der durch hartes Leben verbitterten alten Frau, die nach ihren Worten "so vööl dörmaken" mußte und durch ihre ständige Kritik, Sticheleien und Nörgeleien bis hin zu schweren Verdächtigungen gegenüber ihrer als Hausfrau allerdings nachlässigen Schwiegertochter große Schuld aufhäuft, in die auch der Ehemann verstrickt wird.

Die sechs Darsteller standen. vor einer schweren Aufgabe. Horst Jönck brachte als Speelbas alles in das rechte Lot. Rika Jung gab der Titelrolle der alten Frau nicht nur die richtige Statur, sondern machte auch ihre tiefe Tragik deutlich. Auch Marion Zomerland hatte sich in die Rolle der jungen Schwiegertochter Elsbe hineingelebt. Sie zerbricht unter den gegen sie anstürmenden Anschuldigungen und sucht den Tod. Schuld allein empfinden die beiden Brüder Willem und Hugo Mews. Den Seefischer Willem Mews, dem Wilfried Pampuch echte Züge gab, hat seine Schwäche schuldig gemacht. Er stellte sich nicht schützend vor seine junge Frau. Daß Willems jüngerer Bruder Hugo durch den Tod seiner von ihm verehrten Schwägerin zum Trinker wird und innerlich zerbrechen mußte, konnte Jürgen Tapken recht lebensecht verkörpern.

Im Ablauf des dramatischen Geschehens gibt es auch einige erheiternde Szenen. Dabei steckte z. B. Wilma Welte in der Rolle der Lisbeth Nigge, geborenen Mews. Plattdeutsch aufgewachsen, ist sie in Hamburg verstädtert und spricht nur noch hier fremdartig wirkendes Hochdeutsch. Das macht sie meisterhaft, es gleicht einem unermüdlich plätschernden Wasserfall. Zu den Darstellern zählen schließlich noch sieben linder, die am Martinstag singend von Tür zu Tür ziehen. Mit ihnen auch Björn Pampuch als LüttHein, der seine Rolle recht unbefangen spielte. Das zünftig ausgestattete Bühnenbild mit dem Blick auf die Elbe erhellte ein weinig die "Hebbelsche Düsternis" des Geschehens.

Lisbeth (Wilma Welte), die einzige, die sich aus den Klauen der Mutter befreien konnte, oder doch nicht???

Rund um Kap Hoorn (3. WA)

3. Wiederaufführung (4), davor 1952/53, 1959/60 und 1971/72 gespielt

RUND UM KAP HOORN

Lustspiel in drei Akten von Fritz Wempner
Musik Paul Gerlach

Inszenierung: Uwe Schmidt a.G.
Bühnenbild: Herbert Ulbrich, Klaus Panka
Musikanten: Cornelia Efferts, Gaby Fritz

Beleuchtung: Peter Pfaus
Requisiten: Marga Goldenstein
Bühnenbildbau: Walter Borraß, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Frank Schmidt, Günter Neverla, Klaus Panka

Rollen und Darsteller
Karl Nass, Kapitän - Horst Karstens
Jonny Tetens, Steuermann - Arnold Preuß
Walter Christiansen, Reeder - Karl-Heinz Schröder
Irmgard, seine Tochter - Maike Rosenberg
Falkenoog, Detektiv - Manfred Janßen
Mollich I und II, Detektive - Willy Meiner, Rolf-Peter Lauxtermann
Mia Brinkmann, Privatsekretärin - Heidi Rausch
Jette Preßkopp, Zeitungsfrau - Hanna Christoffers
Gäste in der Kneipe - Teile des Männergesangvereins "Nordsee"
Eduard Funk - Michael Hillers

Rund 20 Mitglieder des Männergesangvereins Nordsee waren belebendes Element auf der Bühne

WILHEMSHAVENER ZEITUNG

Weihnachtsüberraschung der Niederdeutschen

Glanzvolle Premiere mit dem Lustspiel "Rund um Kap Horn"

Von Theodor Murken

Zum vierten Male in 40 Jahren spielte die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven das Lustspiel "Rund um Kap Horn" des Flensburgers Fritz Wempner. Nach dem unvergeßlichen Willi Minauf in den 50er Jahren, dem Stadttheater Rudolf Sang 59/60 dem Landesbühnenmitglied Gerhard Erfurt gab nun Uwe Schmidt von der Landesbühne dem lustigen mit Musik und Lied von Gerhard Gerlach ausgestatteten Spiel neues frisches Leben. Mit den Darstellern war es nicht zuletzt das bunte Volk der mehr als 20 sangesfroher Kneipenbesucher, die zu einer von Anfang an fröhlichen Premiere am zweiten Weihnachtsabend beitrugen. Das vollbesetzte Haus war mehr als zwei Stunden von heiterer Stimmung erfüllt. Dabei ist das, was sich auf der Bühne in der St. Pauli Kellerkneipe "Kap Horn" zuträgt, gar nicht immer so heiter.

Es ist ja kaum zum Lachen, wenn ein Kapitän und ein Steuermann eine Kellerkneipe aufmachen müssen, weil sie keine Arbeit haben, und ein Kümo-Reeder der seiner Existenzerhaltung wegen seine Tochter zwingen will, einen reichen Mann zu heiraten, was sie partout nicht will. Deshalb verläßt sie das Haus und sucht Zuflucht bei ihren Jugendgespielen, den Kapitän, der nun Kneipenwirt geworden ist. Das gibt einen ordentlichen Spektakel in der Kellerkneipe ab. Es scheint vieles in die Brüche zu gehen. Die Sache sieht am Schluß gar nicht gut aus, aber plötzlich lösen sich alle Probleme.

Die Premierenaufführung hatte, wenn sich einige Male auch Premierenfieber bemerkbar machte, Schwung und Tempo. Sie entbehrte nicht mancher komödiantischer Einfälle, die auch dem Ernst eine heitere Seite abgewannen. Die Rolle der Reederstochter Irmgard Christiansen schien Maike Rosenberg auf den Leib geschrieben zu sein. Sie mußte sich, in den Keller geflüchtet, unkenntlich machen. Ihre Verwandlung von hübscher Jugendlichkeit in eine häßliche und dümmliche Köksch war so meisterhaft, daß selbst der Vater sie nicht wieder erkennen konnte.

Diesem, von Karl Heinz Schröder dargestellt, sah man an, daß er wohl zum ersten Male eine Kellerkneipe in St. Pauli aufsuchte, dazu noch in Begleitung seiner "Privatsekretärin" mit dem verdächtigen Vornamen Mia, bunt aufgeputzt, frech und dreist den Männer gegenüber, kein Prunkstück für den biederen Reeder, der auch frohsein konnte, daß sie Ersatz bei einem Generaldirektor fand. Heidi Rausch hatte die Aufgabe, dieser zwielichtigen Dame überzeugende Gestalt zu verleihen.

Die beiden Wirtsleute der Kneipe, Horst Karstens als Kaptein Korl Nass und Arnold Preuß als Stürmann Jonny Tetens, mußten in ihrem Lokal alle Stürme und Wetter über sich ergehen lassen. Das gab ihnen Gelegenheit, alle Register ihres Könnes zu ziehen. Besonders Horst Janßen verstand es, als Komödiant zu glänzen. Es gab einige Szenen, wo sich beide Seeleute in einer Haltung gegenüberstanden, die ihnen starken Beifall einbrachten.

Hanna Christoffers war als Zeitungsfrau Jette Preßkopp wieder redegewandt. Durch List konnte sie sich den Kaptain ergattern. Manfred Janßen, Willy Meinert und Rolf Lauxtermann waren als Detektive Falkenoog, Mollich I und Mollich fI köstlich auf und gegeneinander abgestimmte "Spürhunde" und Michael Hillers fügte sich in alles Geschehen als Rundfunkreporter Eduard Funk stilecht ein. Und stilecht war auch das Bühnenbild von Herbert Ulbrich und Klaus Panka; zur Einrichtung hatte das Jeversche Brauhaus beigetragen. Es fehlten nicht einmal die Positionslichter rot und grün. Daß es in "Kap Horn" manches Mal kräftig zwischen Steuerbord und Backbord hin und her schwankte, konnte man sich unschwer vorstellen.

Kleine Schaumschlacht zwischen Jonny und Karl (Arnold Preuß und Horst Karstens v.r.)

FRIESISCHER HAUSBOTE

Rund geht's bei der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven zu

Weihnachtspremiere der Komödie 'Rund um Kap Horn'

Wilhelmshaven (RS). Korl Nass, Kapitän, und Jonny Tetens, Steuermann, sitzen auf dem Trockenen. Sie warten darauf, daß Walter Christiansen seine ContainerSchiff Neubauten fertiggestellt kriegt, um wieder auf Fahrt zu gehen. Vorübergehend haben sie eine Hafenkneipe 'Kap Horn' übernommen und sind als Wirtsleute vor Anker gegangen. Johnny hat aus enttäuschter Liebe zu der Lebedame Mia Probleme mit Frauen, besonders solchen, die gut aussehen. Da erscheint eines Tages die hübsche Tochter ihres Reeders, Irmgard, auf der Flucht vor der Ehe mit einem ungeliebten Kapitalisten. Ihr Vater, Walter Christiansen, will sie in diese Ehe zwingen, um sich einen Kapitalgeber für die Finanzierung seiner Container Schiff Neubauten zu sichern und seine Tochter standesgemäß zu verheiraten, obwohl oder gerade weil er selbst sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet hat.

Korl Nass, der Irmgard seit deren Kindheit kennt, nimmt die Eheflüchtige auf, nachdem sie sich ein pottenhäßliches Aussehen als Tarnung angeschminkt und angezogen hat. Von Zeitung, Detektiven und dem eigenen Vater gesucht und verfolgt, entgeht sie zunächst in ihrer Verkleidung und mit gut gespielter Begriffsstutzigkeit, ja, Dummheit den Verfolgern, nicht aber der Liebe.

Spiellust und Seemannsgarn ein Selbstgänger

Fritz Wemper hat mit der Musik von Gerhard Gerlach mit seinem musikalischen Lustspiel "Rund um Kap Horn" eine flotte, lockere Komödie im vielfarbigen Hafenmilieu geschaffen, das viele unterschiedliche, gut definierte und spielbare Typen in Aktion versetzt. Ein Stück, wie geschaffen, Spiellust in Gang zu setzen, pfiffige Regie Einfälle zu verwirklichen. Und es stört nicht im Gegenteil: es beschwingt, daß nach vielen Verwirrungen und witziger Situationskomik alles auf das Happy End zusteuert,. wo aus dem 'häßlichen Vogel' wieder der 'strahlend schöne weiße Schwan' wird und einen der Seelords ... Aber das sollte man sich viel besser im Theater flockig locker vorspielen lassen. Besser gesagt: vorgaukeln lassen. Denn dieses Lustspiel von seiner Anlage her ein 'Selbstgänger' darf man gar nicht erzählen. Es verlangt die gut geführten heiteren Komödianten und das entspannte Publikum. Augenzwinkern auf beiden Seiten bei flott serviertem Seemannsgarn. Und die Erst Regie von Uwe Schmidt (Landesbühne) ist auf genau dem richtigen Weg. Hier wird ein kein pseudo realistisches Melodram konstruiert. Nein, eine Abfolge traumhaft leichter verwirrender, spaßiger Situationen wirbelt bei eingängiger, spritziger Musik über die Bühne. Theater, das unterhält und Spaß macht, ja, verzaubert, in eine leichte Welt der Illusionen entführt.

Gestandene Mannsbilder und "doofe Nöt"

Und die Besetzung der Rollen am Niederdeutschen Theater Wilhelmshaven ist optimal. Denn spielen kann das Stück praktisch jede Bühne. Und "Rund um Kap Horn" ist aus dem Repertoire der Bühnen nicht mehr wegzudenken. Aber ein Genuß wird erst daraus, wenn es richtig besetzt ist. Und das ist den Wilhelmshavenem gelungen. Horst Karstens ist das kräftige und etwas füllige Mannsbild, das den Kapitän Korl Nass auf die Bühne bringt. Der typische Seebär, noch ein richtiger Mann und väterlicher Freund. Ihm zur Seite Johnny Tetens, den Arnold Preuß gut mit dem wendigen und zupackenden Freund Korl kontrastiert. Und der Frauenverachter darf sich auf der Bühne zum verliebten Verlobten entfalten. Eine Rolle, die Spaß macht. Maike Rosenberg hat mit der Reederstochtr Irmgard eine tolle Rolle übernommen. Sie darf die elegante Irmgard in die pottenhäßliche "doofe Nöt" verwandeln, sie darf eine herrlich lockere Komödie mit vielen Originalen im Hafenmilieu entfesseln sie spielt ein doppeltes Spiel. Und auf jeden Fall spielt sie gutes Theater. Eine Idealrolle.

Spiel mit dem Publikum

Ihren Vater, Walter Christiansen, stellt Karl Heinz Schröder auf die Wilhelmshavener Bühne. Sympathisch, aber keineswegs ohne menschliche, allzu menschliche Schwächen. Und dann die Zeitungsfrau Hette mit ihrem losen Mundwerk hier kann sich Hanna Christoffers, das 'Publikumspferd', so richtig ausspielen. Diese Rolle braucht Publikum, das Spiel mit dem Publikum, das Spiel zwischen Publikum und Bühne. Die zwei Karikaturen von Detektiven Falkenog (Manfred Jantzen) und Mollich (Willy Meinert) haben toller Einfall der Regie einen 'dritten Mann' in dem zweiten im Text nicht vorgesehen Mollich (Rolf Lauxtermann) bekommen. So lassen sich die witzigen Dümmlichkeiten noch mehr akzentuieren, läßt sich diese Paraderolle ein bißchen im Sinne von 'Dick und Doof' mit dem Trio noch mehr auskosten.

Mia Brinkmann, die aus den Niederungen der Halbwelt zur Dame aufgestiegene verflossene Liebe des Jonny, braucht die rauchig verrucht dunkle Stimme von Heidi Rausch. Und Michael Hillers erhält mit dem Rundfunkreporter Eduard Funk einen guten Einstieg in seine Bühnenlaufbahn. Leichte Kost mit viel Spielfreude, Spielwitz und einfallreicher Regie ein ganzer Männerchor wird sich auf der Bühne produzieren serviert, das garantiert beste Unterhaltung. Theater, das zwei Stunden lang Spaß macht. Und das alles live. Kein Wunder, daß der Vorverkauf schon auf vollen Touren läuft. Mach dir ein paar schöne Stunden. geh ins Niederdeutsche Theater Wilhelmshaven.

Die Detektive Mollich I + II (Rolf-Peter Lauxtermann, Wilfried Meinert) sowie Falkenoog (Manfred Janssen) sind großen Kriminalfällen auf der Spur

De verflixte Strump (1. WA)

zehnte Gemeinschaftsproduktion
1. Wiederaufführung (1.), davor 1954/55 gespielt

DE VERFLIXTE STRUMP

Komödie von Hans Balzer in vier Akten

Inszenierung: Rudolf Plent
Bühnenbildentwurf: Rudolf Plent, Ewald Meine, NB Neuenburg

Regieassistenz/Inspizienz/Requisiten:: Annemarie Penningroth, NB Brake
Produktionsleitung: Manfred Malanowski, NB Neuenburg

Bühenbildbau: W. Fischer, W. Hänecke, H. Hilbners, E. Meine und D. Schweer, alle NB Neueburg
Bühnenmalerei: Willi Egenhoff, NB Neuenburg
Bühnentechnik: K. Decker, H.-W. Horstmann und R. Renken, alle NB Brake
Masken und Frisiuren: K-H. Krämer, Oldenburg, Monika Droste, NB Delmenhorst
Souffleuse: Luzie Piest, NB Delmenhorst

Rollen und Darsteller
Sneewitt - Uta Thormählen, NB Oldenburg
Lafrenz - Rainer Behrends, NB Neuenburg
Gundula - Hilke Zahn, NB Varel
Kasper, Gärtner bei Lafrenz - Gerold Bruns, NB Braken
Sötmund - Werner Droste, NB Delmenhorst

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Damenstrumpf in falscher Männerhand

Der Niederdeutsche Bühnenbund bot ein amüsantes Lustspiel

Von Theodor Murken

Für seine zehnte Gemeinschaftsproduktion hatte der Niederdeutsche Bühnenbund Niedersachsen/Bremen Hans Balzers Lustspiel "De verflixte Strump" ausgewählt, das am Donnerstag, am gestrigen Freitag über die Bühne des Stadttheaters ging, und auch morgen abend auf dem Spielplan steht. In diesem Stück ist ein weißer Damenstrumpf das Corpus delicti, daß ein Schwerenöter die Frau seines Freundes verführt und damit eine mit eben diesem Freund abgeschlossene Wette gewonnen haben soll.

Eine ernste Sache. Hans Balzer aber hat alles komödienhaft in plattdeutscher Sprache verklärt und in die Biedermeierzeit projiziert. Das ergab ein amüsantes Lustspiel. Eine Lust war es auch zu eileben, wie der (Berufs-)Regisseur Rudolf Plent aus Oldenburg das Stück mit Darstellern aus fünf oldenburgisehen niederdeutschen Bühnen und einem fast märchenhaft gestalteten heiteren biedermeierzeitlichen Garten inszeniert hat. Die fünf Darsteller sind die jungverheirateten Lafrenz und Sneewitt, der liebesabenteuerlich beflissene Freund Sötmund, Sneewitts Freundin Gundula und schließlich der Gärtner von Lafrenz. Zu solch einem schönen Garten gehört ja auch ein Gärtner, aber in diesem Stück erschöpft sich seine Tätigkeit nicht damit, daß er den Garten pflegt.

Dieses Fünfgespann wickelt nun in jenem durch Mauer und Tor von der Umwelt getrennten Garten in vier Akten ein Spiel ab, das bei der Premiere im Stadttheater ein fast voll besetztes Haus in ständiger Spannung hielt. Die Aufführung ragte aus denen plattdeutscher Stücke dadurch heraus, daß sie einmal kammerspielartigen Charakter hatte und die Handlung in einem Milieu biedermeierzeitlicher Umgebung und biedermeierzeitlichen Lebensgefühls sich abspielte. Das jungvermählte Paar des Lafrenz, den Rainer Behrens (Bühne Neuenburg) eifrig küsseausteilend spielte, und der Sneewitt von Uta Thormöhlen (Oldenburg). Sie verstand es, die liebende und treu ergebene Ehefrau darzustellen und hätte alles Ungemach vermeiden können, wenn der Ehemann sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, seine Frau könnte ihn betrügen.

Lafrenz Freund Sötmund, den Werner Droste (Delmenhorst) als einen mit allen Wassern gewaschenen "Schürzenjäger" sehr überzeugend auf die Bühne stellte, wußte des Mißtrauen des jungen Ehemannes gut auszunutzen. Daß er die Wette dennoch verlor, dafür sorgte Sneewitts Freundin Gundula, als die Hilke Zahn (Varel) sich als tatkräftige und sprechbegabte Partnerin des Sötmund erwies, nicht zuletzt in der Verkleidung als dienender Geist der jungen Familie. Doch alles, was sich in zwei Stunden auf der Bühne abspielte, wäre nicht so abgelaufen, wie es geschah, wenn nicht der Gärtner seine Hand mit im Spiel gehabt hätte. Diesem Gärtner Kaspar gab Gerold Bruns (Bratre) die Züge eines durch Lebenserfahrung gewitzten "plietschen" Mannes, der mit seiner hintergründigen Art alles in das richtige Lot zu bringen versteht. Dafür dankte ihm das Publikum auch mit besonders kräftigem Beifall, den aber auch Hilke Zahn aus Varel in der Rolle der Gundula verdient hatte.

An dem eindrucksvollen Bühnenbild waren außer Rudolf Plent auch der Neuenburger Ewald Meine beteiligt. Letzter hatte mit weiteren Neuenburgern an der Herstellung und der Malerei mitgewirkt. K. H. Krämer und Monika Droste sorgten für biedermeierzeitliche Masken und Frisuren. Natürlich war auch die Bekleidung stilecht. Und das Ganze bot zwei heitere und harmonische Stunden mit Atmosphäre.

Dat Schörengericht (WE)

Oldenburgische Erstaufführung

DAT SCHÖRENGERICHT

(Der zerbrochene Krug)
Lustspiel in zwölf Szenen von Friedrich Hans Schäfer nach Heinrich von Kleist

Inszenierung: Albrecht C. Dennhardt
Bühne: Albrecht C. Dennhardt
Regieassistenz: Willy Meinert

Bühnenbau: Klaus Panka, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Walter Borraß, Günter Neverla, Frank Schmidt
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizient: Bernhard Bertram
Souffleuse: Karin Heyel
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Gerichtsrat Wolter - Günter Boye
Dörprichter Adam - Klaus Aden
Schriever Lichtwark - Wilfried Pampuch
Fro Martje Krull - Hildegard Steffens
Ehr Dochter Evi - Luise Pampuch
De Buur Stoffel - Friedrich Müller
Sien Söhn Robert - Jürgen Tapken
Fro Brigitte - Helga Lauermann
Een Deener - Ralf-Rüdiger Bayer
Een Büttel - Willy Meinert
De Magd Grete - Frieda Harms
De Magd Lisbeth - Kathrin Schmidt

Lichtwark (Wilfried Pampuch) hat ein Auge auf Lisbeth (Katrin Schmidt) geworfen. Wen er erst Karriere gemacht hat, dann....

Friesicher Hausbote

Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven

"Dat Schörengericht" eine bemerkenswerte Premiere

Wilhelmshaven (RS). Der Dorfrichter Adam sucht die Tochter Efi (Luise Pampuch) seines verstorbenen Freundes zu nächtlicher Stunde auf. Unter dem Vorwand, deren Verlobten (Jürgen Tapken) vor dem drohenden Militärdienst und drohenden Tod in den Kolonien retten zu wollen, macht er sehr eindeutige Annäherungsversuche. Von Robert in der Dunkelheit überrascht, flieht er unerkannt, trägt dabei aber zwei Kopfwunden durch Schläge des Robert davon, verliert seine Perücke und zerbricht einen Krug altes Erbstück der Frau Martje Krull (Hildegard Steffens), der Mutter Efis. Am nächsten Morgen kommt Gerichtsrat Walter (Günter Boye) zur Revision; er soll der schlampigen ländlichen Justiz "op de Teen föhlen". Es ist regulärer Gerichtstag und Frau Martje tritt mit dem zerbrochenen Krug vor Gericht und klagt ihr Recht ein. Als vermeintlicher Missetäter wird Robert angeklagt. Richter Adam versucht durch Kungelei, Manipulation und Rechtsverdrehung seinen Kopf zu retten und den unschuldigen Verlobten Efis zum Justizopfer zu machen.

Klassisches auf platt

Der preußische Verwaltungsjurist und geniale klassische Dichter Heinrich von Kleist hat mit dem Lustspiel eine Satire auf die korrupte Justiz geschrieben, deren Verkörperung der Dorfrichter Adam ist. Seine Gegenspielerin ist die mutige Martje, die konsequent ihr Recht einfordert, ein wenig blind dabei für menschliches Schicksal. Friedrich Hans Schaefer hat den berühmten "zerbrochenen Krug" ins Plattdeutsche übertragen und sich dabei ein paar Freiheiten gegenüber dem Original eingeräumt. Es ist ihm gelungen, die bewundernswert präzise klassische Sprache eines Heinrich von Kleist, die manchem Zeitgenossen etwas fremd klingen würde, volkstümlich zu 'modernisieren. Dabei wahrt Friedrich Hans Schaefer die knappe Kleistsche Form, was sich u.a. in der Anklagerede der Frau Martje zeigt.

Lebensvoller Dorfrichter: Mensch und Schuft

Klaus Aden hat mit dem Dorfrichter eine schwere, aber interessante Rolle übernommen. Erstaunlich viele Gesichter gibt er seinem Dorfrichter: hilf- und ratlos, niedergeschlagen, lauernd, kalt berechnend, Mitleid erregend, autoritär, devot, verschlagen, verbindlich, schmeichelnd, rechtschaffen, verlogen... Mit sparsamen plastischen Gesten, disziplinierter ausdrucksstarker variabler Sprache bringt er eine un-klassische lebensvolle Figur auf die Bühne, einen vielschichtigen Menschen, keinen eindimensionalen Schuft. Selbst in einem Anflug von Karikatur im ersten Auftritt erliegt er nicht der Verlockung zum Klamauk, bleibt souveräner Komödiant. Gut nutzt er die pantomimischen Möglichkeiten, zu denen die schwarze Robe geradezu einlädt: Konzentration auf fein abgestimmte Mimik und Gestik des kahlen Kopfes und der Hände. Insgesamt eine bemerkenswerte Leistung, die die Aufmerksamkeit der Zuschauer immer wieder auf sich zieht. In der Anklagerede vollführt Hildegard Steffens in der Rolle der Frau Martje ein eindrucksvolles Solo. Mit wohldosiertem Pathos, Anflug von Sentimentalität, scheinbar unfreiwilliger Komik wird der Ansatz zu klassischer Stilisierung auch in ihrem Gewand angedeutet wieder gebrochen, die hehre Rede zum dörflich nachbarlichen Snack konkretisiert.

Würde und Unterwürfigkeit

Den Schreiber Lichtwark stellt Wilfried Pampuch nicht als den besseren Amtsvertreter, die heilende Alternative zum Dorfrichter Adam dar. In einer Kombination von Würde und Unterwürfigkeit dienert er sich die berufliche Laufbahn hinauf. Als er die Robe überstreift, steht er nicht da als der juristische Heilbringer.

Günter Boyes Gerichtsrat erhält die treffende Mischung von leerer Würde und aufgesetzter Verbindlichkeit, dem man als Teil einer korrupten Bürokratie einen befreienden Rundumschlag nicht glauben mag. Denn es geht ihm nicht so sehr um das Recht des Individuums, sondern vor allem um das Ansehen der Justiz.

Luise Pampuch stellt Efi nicht als die klassisch edle und reine Frauengestalt dar. Sie bleibt irdisch und lebendig genug, steigert ihre lang unterdrückte Empörung zu überzeugender Anklage Ihr Verlobter Robert (Jürgen Tapken) explodiert diszipliniert, spielt seine Aussage sehr plastisch vor, steigert sich zu glaubhafter Empörung, ja, Verzweiflung, darf ein bißchen Pathos riskieren und hütet sich vor der karikierenden Darstellung eines trotteligen Bauernlümmels. Mit bemerkenswert ausdrucksvoller Stimme und sehr sparsamer Gestik bringt Helga Lauermann die Überraschungszeugin sehr gekonnt auf die Bühne. Als Bauern, Diener und Mägde sorgen Ralf-Rüdiger Bayer, Willy Meinert, Frieda Harms und Katrin Schmidt für zusätzliche Farbe im Spiel und gelegentliche Lacher im Publikum. Dabei spielt Willy Meinert mit bemerkenswerter pantomimischer Komik eine absolut sprachlose Rolle. Das ungewöhnliche Bühnenbild hat der Regisseur Albrecht C. Dennhardt selbst entworfen. Zwei beigefarbene Podeste gliedern die Spielfläche, dienen als Gerichtspodest und als Andeutung einer Scheune, eines Schuppens. In der wohldurchdachten Unordnung von Wagenrädern, Gestühl, Haushaltsgeräten spiegelt sich das Chaos der Justiz wider, sind erdiger Kontrast zum hehren Anspruch der Justiz. Der Bühnenumbau bei offenem Vorhang sorgt für zusätzliche Handlung und Belustigung.

Raum für Phantasie
Regisseur Albrecht C. Dennhardt

Den Dorfrichter Adam hat der Berufsschauspieler Albrecht C. Dennhardt, der von 81 bis 85 an der Landesbühne engagiert war, selbst schon gespielt. "Dat Schörengericht" ist seine fünfte Inszenierung für die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven. Er kennt die Schauspielerinnen und Schauspieler; das erleichtert die Zusammenarbeit. Er weiß die Aufnahmebereitschaft der Amateure zu schätzen und er nimmt sich Zeit bis hin zu intensiven Einzelproben. Ensemblemitglieder bestätigen seine sensible und konsequente Regie. Sehr zufrieden äußert sich z.B. Luise Pampuch, Dennhardt könne sehr gut motivieren, Rollen anschaulich erklären, Fähigkeiten mobilisieren, Auch der Hauptdarsteller Klaus Aden bestätigt die hervorragende Arbeit mit dem Regisseur. Denn der Lump in der Amtsrobe sei nicht leicht zu spielen, da es sich um einen zwiespältigen Typen handele, zu dem ihn der Regisseur hilfreich hingeführt habe.

Mit seinem Bühnenbild möchte Dennhardt wegkommen von der einengenden Guckkasten Bühne, Weg von dem vielen Kleister und der Pappe. Dafür nützt er den guten Fundus, gliedert die Fläche mit Requisiten. Die Bühne wird genutzt als Raum zum Spielen, ak. Raum für Phantasie. Anspruchsvoll sei das Kleistsche Lustspiel auch in der niederdeut sehen Fassung, obwohl das Hand lungsmilieu für Zuschauer erster Zugang zu dem Spiel verschaffe Niveauvolles Theater lasse sich sehr wohl mit guter Unterhaltung vereinbaren. Das ist Albrecht C. Dennhardt mi seiner Inszenierung von "Dat Schörengericht" offensichtlich gelungen. Viel spontanes Lachen und Szenenapplaus. Langer herz-licher Schlußbeifall. Fast ein Vor- zeige Stück.

Adam (Klaus Aden) beschört Evi (Luise Pampuch) und ihre Mutter Fro Martje (Hildegard Steffens) über die Nacht zu schweigen... weer beter för Di un Dien Brögamm....

JEVERSCHES WOCHENBLATT

Langanhaltener Applaus für "Dat Schörengericht"

Niederdeutsche Bühne begeisterte mit Kleists Lustspiel

(js) Wilhelmshaven. Ein "zerbrochener Krug" war Ausgangspunkt einer Gerichtsverhandlung, die die Niederdeutsche Bühne am Sonntagabend auf ihrer Bühne im Stadttheater abhielt. 60 Minuten lang, in einem "Töörn" wurde das Publikum Zeuge, daß Heinrich von KIeists "Der zerbrochene Krug" nicht nur ein Klassiker ist, sondern auch ein Lustspiel. Als eine Nachdichtung des Lustspiels von Kleist, bezeichnet Friedrich Hans Schaefer seine Übersetzung "Dat Schörengericht". Bei der Textüberarbeitung habe er sich einige Freiheiten genommen, hier und da einiges geändert und den Darstellern eine einfache volkstümliche Sprache gegeben.

"Dat Schörengericht" wurde im Auftrag des Ohnsorg Theaters geschrieben und kam dort im April 1987 zur Urauffühung. Die Kritiker schrieben: "Im Ohnsorg Theater wird klassisch gelacht". Doch so klassisch ist das Stück eigentlich gar nicht und soll es auch gar nicht sein. Es war ein herzerfrischendes plattdeutsches Lachen.

Gelacht wurde auch bei den "Niederdeutschen" am Premiereabend von "Dat Schörengericht" und es wurde vor allem langanhaltend applaudiert, für eine gelungene plattdeutsche Darstellung vom "zerbrochenen Krug". Mit dieser Inszenierung ist die Niederdeutsche Bühne nach dem Ohnsorg Theater, das zweite Theater, die dieses Stück auf dem Spielplan hat. Klaus Aden verkörpert den kahlköpfigen und klumpfüßigen Dorfrichter Adam, der damit beauftragt wird, die Geschehnisse um den "zerbrochenen Krug" aufzuklären. Doch dabei gerät Adam in große Schwierigkeiten, schließlich ist er nicht ganz schuldlos an den "Scherben".

Bei einem spätabendlichen Besuch im Zimmer von Efi Krull (Luise Pampuch) soll ihr Verlobter Robert Stoffel (Jürgen Tapken) den besagten Krug zerbrochen haben. Am anderen Morgen erscheint nun Mutter Martje Krull (Hildegard Steffen) voller Zorn mit Tochter, sowie Robert Stoffel und dessen Vater (Friedrich Müller) beim Dorfrichter und klagt den Verlobten an. Denn da ist nicht irgendein Krug zerbrochen, sondern ein ganz besonderer, was Martje Krull den Dorfrichter in einem langen Vortrag, hervorragend vorgetragen von Hildegard Steffens, zu verstehen gibt. Mit List und Picke versucht Dorfrichter Adam nun bei der Gerichtsverhandlung, von seiner eigenen Taten abzulenken und die Schuld dem Angeklagten förmlich aufzudrängen, wogegen sich Robert mit Händen und Füßen währt.

Aber der Dorfrichter hat Pech, ausgerechnet an diesem Morgen erscheint Gerichtsrat Wolters (Günther Borge) bei ihm und wohnt dieser Verhandlung bei. Allmählich begreift dieser, wer der eigentliche Täter ist und Adam bleibt nur noch die Flucht übrig. Daß Efi und Robert nun doch noch ein Paar werden, haben sie der Frau Brigitte (Helga Lauermann) zu verdanken, die im Schnee vor Mart jes Haus Fußspuren sah, links ein Menschenfuß und rechts ein KIumpfuß, und die führten direkt zum Haus des Dorfrichters. Auch Gerichtsschreiber Lichtwark (Wilfried Pampuch) kommt die Aussage der Frau Brigitte gut zupaß, endlich kann er als Dorfrichter amtieren. Weitere Darsteller bei dieser Aufführung waren ein Büttel (Willy Meinert) und ein Diener (Ralf Rüdiger Bayer) und die beiden Mägde Greta und Lisbeth (Frieda Harms und Katrin Schmidt).

Albrecht C. Dennhardt hat sich nicht nur das Bühnenbild, der Gerichtssaal des Dorfrichters glich eher einer Scheune, für diese Aufführung ausgedacht, er führte auch wieder einmal erfolgreich Regie, so daß dieser Klassiker eine Bereicherung für den Spielplan der Niederdeutschen Bühne geworden ist. Weitere Aufführungen sind geplant am Sonntag, dem 5. 11., um 15.30 und 20 Uhr, Mittwoch, dem 15. 11., um 20 Uhr, Mittwoch, dem 22. 11., um 15.30 und 20 Uhr, Freitag, dem B. 12., und Sonnabend, dem 9. 12., jeweils um 20 Uhr im Stadttheater Wilhelmshaven. Heute abend gastierten die "Niederdeutschen" mit ihrer Aufführung im ev. Gemeindehaus Sande und am Freitag, dem 1. 12., um 20 Uhr in der Aula der Agnes Miegel Schule.

Wolter (Günter Boye) ist über Dörprichter Adam (Klaus Aden) empört, ebenso Robert (Jürgen Tapken), den Evi (Luise Pampuch) knapp bändigen kann. Lichtwark (Wilfried Pampuch) und Fro Brigitte (Helga Lauermann) schauen genüßlich zu, wie sich alles zuspitzt.

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Plattdeutsches Palaver um einen Krug

Erfolgreiche Premiere bei den Nieder-deutschen mit dem "Zerbrochenen Krug"

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven erntete mit dem Lustspiel "Das Schörengericht", einer plattdeutschen Übersetzung des "Zerbrochenen Krug" von Heinrich von Kleist, stürmische Begeisterung. Es begann bei verdunkelter Bühne nach einigen sinfonischen Takten mit einem durchdringenden Paukenschlag, und man sah dann den Dorfrichter Adam im Nachthemd am Boden liegen. Heinrich von Kleist hatte sich den Beginn etwas anders gedacht, aber wie die von dem 81jährigen Friedrich Hans Schaefer besorgte plattdeutsche Übersetzung von Kleistens Lustspiel in einigen Stellen abweicht, so war auch dieser Regieeinfall von Albrecht C. Dennhardt ebenso originell wie das von ihm erdachte Bühnenbild, das den Gerichtssaal des Dorfrichters in eine Scheune verlegte mit all ihrem Drum und Dran.

Dann gefiel uns bei der Bearbeitung des plattdeutschen Autors die von ihm neu gefaßte Anklagerede der Frau Martha mit der Schilderung des Kruges. Deren fünffüßige Jamben hat er, wie er sagt, "aufgedröselt". Das gilt auch für die Länge dieser Anklagerede ein gewagtes Unternehmen, aber Dennhardts Regie und die Darstellung der Frau Martha durch die für wortreiche Szenen begabte Hildegard Steffens machte das Ganze zu einem Genuß. So oft man das Lustspiel in der hochdeutschen Fassung auch gesehen hat, "Das Schörengericht" wurde zu einem neuen Theatererlebnis. Klaus Aden hatte sich in die zwielichtige Person des Dorfrichters verwandelt, der gegenüber dem so unerwatet erschienenen Gerichtsrat Wolter (Günther Boye) seine ganze List aufwendet, um von seiner eigenen Schuld abzulenken, bis ihm am Schluß nur noch die Flucht übrig bleibt.

Ein Glück für den Gerichtsschreiber Lichtwark, dessen Rolle Wilfried Pampuch auf den Leib geschrieben schien, der nun in dem Dorf als Richter amtieren wird. Wir brauchen hier nicht zu beschreiben, wie und weshalb der Krug zerbrochen ist und weshalb Frau Marthe mit den Scherben vor den Richter tritt und dabei den jungen Robert Stoffel anklagt. Der soll ihn bei einem spätabendlichen Besuch im Zimmer von Frau Mamhes Tochter Efi zerbrochen haben. So ist denn auch dieses junge, eigentlich schon verlobte Paar die Ursache der Verwicklungen.

Robert steht zunächst auf verlorenem Posten.

In dieser Rolle wußte sich Jürgen Tapken leidenschaftlich zu verteidigen, wobei die aus ihm heraussprudelnden Sätze nicht immer deutlich genug waren. Daß er und die Evi, von Luise Pampuch verkörpern, schließlich doch ungeschoren aus der Sache herauskommen, haben sie der Frau Brigitte zu verdanken, der Helga Lauermann die Züge einer wahrheitsbeflissenen Zeugin gab. Gut stellte sie vor dem Gericht dar, wie sie den Fußspuren eines Mannes gefolgt war, der rechts einen "Menschenfuß", links aber einen Klumpfuß hatte. Sie führten von Evis Fenster in des Dorfrichters Haus, und da gab es für Adam keine Rettung mehr.

Dann gab bei dieser Inszenierung außer einem Büttel (Willy Meinert) und einem Diener (Ralf- Rüdiger Bayer) noch zwei Frauen, die zwar nicht viel zu sprechen hatten, aber doch als dienstbare Geister in ihren Holzschuhen urwüchsige Gestalten abgaben: Frieda Harms als Magd Grete und Katrin Schmidt als Magd Liesbeth. An das Bühnenbild war viel Fleiß aufgewandt worden. Klaus Panka hatte dabei die leitenden Hand. Willy Meinem half bei der Regie. Der Beifall am Schluß hörne erst auf, als auch Dennhardt mit den Darstellern erschienen war.

Mudder is de Beste (WE)

Oldenburgische Erstaufführung

MUDDER IS DE BESTE

(Das Fenster zum Flur)
Volksstück in fünf Bildern von Curth Flatow und Horst Pillau
Niederdeutsch von Fritz Wempner

Inszenierung: Arnold Preuß
Bühne: Arnold Preuß

Bühnenbau: Klaus Panka, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Frank Schmidt
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizient: Helga Borraß
Souffleuse: Kathrin Schmidt
Requisiten :Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Karl Wiese, Stratenbahnfahrer - Horst Jönck
Anni Wiese, sien Fro - Brigitte Halbekath
Herbert, ehr Söhn - Jürgen Tapken
Helen (alias Helene), ehr Dochter - Christine Fein
Inge, ok ehr Dochter - Maike Rosenberg
Dan, de Söhn van Helen - Matthias Welte
Erich Seidel - Claus Miehlke
Adam Kowalski - Günther Jaedeke

Dan (Matthias Welte) und Oma Annie (Brigitte Halbekath) verstehen sich auf Anhieb

Wilhelmshavener Zeitung vom 19. September 1989

Ein toller Start mit "Mudder is de Beste"

Erfolg für Niederdeutsche Bühne

Riesenerfolg für die Niederdeutsche Bühne beim Start in die neue Saison. Sie brachte das von Fritz Wempner vorzüglich ins Niederdeutsche übersetzte Volksstück "Mudder is de Beste" (Das Fenster zum Flur) von Curth Flatow und Horst Pillau heraus. Wer Inge Meysel in der Titelrolle im Fernsehen oder bei einem Gastspiel im Wilhelmshavener Stadttheater gesehen hat, sollte nicht meinen, das sei nun das unerreichte Optimum gewesen. Im Gegenteil. Brigitte Halbekath braucht sich weder hinter Inge Meysel noch hinter Heidi Kabel, die diese Rolle vor mehr als neun Jahren im Ohnsorg Theater spielte, zu verstecken. Ihre Anni Wiese ist so natürlich, so menschlich, so komisch und auch anrührend, so ohne jeden falschen Drücker, daß man meinen könnte: Die Frau wohnt nebenan. In ihrer so angenehm unprätentiösen Darstellung erkennt sicher mancher auch Züge der eigenen Mutter wieder.

Horst Joenck, endlich einmal nicht in einer Bösewichtrolle, spielt mit leisen Tönen Mudders Mann Karl Wiese; fein und ausgewogen. Ein ungemein liebenswerter Mann, der sich Mudders Regiment gern unterordnet. Während Maike Rosenberg als Tochter Inge so richtig schön motzig ihren eigenen Weg sucht und dabei doch ganz Mudders Ebenbild bleibt, zeichnet Christine Fein zurückhaltend die vom Leben im goldenen Amerika enttäuschte Tochter Helen. Jürgen Tapken als Studiosus findet ebenso wie Claus Miehlke als Klempner Erich und Günther Jaedeke als verliebt betrunkener Adam Kowalski genau den richtigen Ton. Erfrischend und erstaunlich sicher erstmals auf der Bühne als Helens Sohn Dan Matthias Welte.

Arnold Preuß, der Speelbaas der Niederdeutschen Bühne, hat das Erfolgsstück angenehm unsentimental und zügig inszeniert. Er hält dabei genau die Waage zwischen Komik und Tragik. Und das Bühnenbild die Wohnküche der Souterrain-Wohnung der Wieses, hat er auch noch entworfen. Beste Unterhaltung das Ganze. Und wer die im Theater sucht, sollte es wirklich einmal mit dieser Aufführung der Niederdeutschen Bühne probieren, auch wenn er nicht Plattdeutsch spricht. Zu verstehen ist dieses anrührende Stück um eine Mutter, die Treppen scheuert, damit es ihre Kinder einmal besser haben sollen, die Schicksal spielt, und damit die Familie fast ins Unglück stürzt, allemal. Das Premierenpublikum am Sonntagabend zeigte sich jedenfalls restlos begeistert und feierte Darsteller, Regisseur und Bühnenbildner sowie alle, die hinter den Kulissen am Gelin gen dieser frischen Aufführung mitarbeiteten, mit langanhaltendem, herzlichem Beifall.

Die beiden Schwestern Wiese (Maike Rosenburg und Christine Fein) haben sich viel zu erzählen, nachdem die ältere Schwester aus den Staaten zurück gekommen ist

JEVERSCHES WOCHENBLATT 20. September 2001

Happy Family und heile Welt Mudder is de Beste

Premiere bei der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven

Wilhelmshaven (RS). "Gegen Mudder kannst du nich an", stellt Vater Wiese (Horst Jönck) resigniert fest; und er muß es wissen, nach 35 Ehejahren. Sie ist die Seele und der Motor der ganzen Familie. Fleißig, bescheiden, aber äußerst zielstrebig setzt sie (Brigitte Halbekath) alles daran, ihre Familie zusammenzuhalten, etwas aus ihren Kindern zu machen: "Ick will jo ok dat Beste för mien Kinner. Dat kann mi kieneen verdenken." rechtfertigt sie ihre Betriebsamkeit. Ja, sie mischt sich überall ein, kümmert sich mit besten Absichten um alles und jeden. Und der Erfolg hat ihr bislang recht gegeben. Ihr Mann ist immerhin ein rechtschaffender Straßenbahnfahrer.

Ihre Tochter Hellen (Christine Fein) hat angeblich einen Millionär in Amerika geheiratet. Die Karte vom Hochzeitsmenü im New Yorker Waldorf Astoria trägt sie wie eine Trophäe mit sich herum. Immerhin ist Hellen vor der Ehe mit einem Klempner (Claus Miehlke) bewahrt worden. Auch der Sohn Herbert (Jürgen Tapken) soll den sozialen Aufstieg schaffen: Sein Medizinstudium unterstützt die Mutter durch gute Hausmannskost und heimliches Lesen seiner Fachbücher und frühzeitiges Anwerben von zukünftigen Patienten. Und sie wird nicht müde, die ganze Nachbarschaft auf dem Laufenden zu halten über die Erfolge ihrer Muster Familie. Mutter Wiese gerät dabei ins Schwärmen, wenn sie zwischen Hausputz und Abwasch ihre bisherigen Erfolge wohlgefällig betrachtet und wehrt alle Zweifel ab: "Du liest doch keen beten Poesie." Happy Family, heile Welt.

Aber es zeigen sich Risse im kleinen Paradies: Tochter Inge (Maike Rosenberg) ist nur Kellnerin statt Primaballerina bei einem Ballett geworden, und ihre Schwester bewundert sie: "Du hest di dörsett." Zu allem Überfluß verliebt sich Inge in den polnischen Musiker Adam Kowalski (Günter Jaedeke), gegen den Protest ihrer Mutter: "Hier wart keen polnische Wirtschaft inföhrt!" Daß der Sohn Probleme mit dem Sezieren von Leichen und wenig Neigung zum Arztberuf hat, kann die Mutter noch beiseite wischen. Von den zunehmenden Schwierigkeiten ihres Mannes weiß sie noch nichts. Auch kann sie mit unerschütterlichem Optimismus erste Zweifel überspielen, als ihre Tochter Helen mit Sohn Dan (Matthias Welte) unerwartet aus den USA ohne Mann zurückkehrt...

Als sich erste drohende Wolken kommenden Unheils auftürmen und sich das vermeintliche Glück als Schwindel und Lüge zu entpuppen droht, sind sich die übrigen Familienmitglieder einig: "Dat dröff Mudder nie to weeten kreegen. Für sie soll alles bleiben wie ein Märchen. Eine dankbare, aber nicht leichte Rolle für Brigitte Halbekath, diese an sich sympathische, im Grunde ihres Herzens es nur gut meinende Frau zu spielen, der die Tochter Inge aus bitterer Erfahrung aber doch vorwirft: "Du hest'n Zartgeföhl as 'n Dampmaschin." Kontrastierend gedämpft spielt Horst Jönck den Vater, der neben der Frau, deren Stimme durch Beton geht, zwar Familienoberhaupt, keineswegs aber Herr im Hause ist.

Christine Fein in guter Erinnerung aus Brechts 'Puntila' bietet hier eine ganz andere Seite ihre darstellerischen Könnens. Sie bringt eine junge Frau auf die Bühne, die trotz persönlicher Enttäuschungen und in der Erwartung, ihre Mutter zu enttäuschen den Lebensmut nicht verliert. Maike Rosenberg gibt der Tochter Inge, dem schwarzen Schaf der Familie, jugendlichen Elan und Charme. Hin und her gerissen zwischen den Rollen des artigen Sohnes und des desillusionierten Studenten zeichnet Jürgen Tapken differenziert und glaubwürdig den Sohn Herbert. Und auch der Klempner hat sein Dilemma. Zwischen Wohlanständigkeit und dem Wunsch nach Glück, zwischen Biedermann und Liebhaber Claus Miehlke spielt die keineswegs leichte Rolle gut. Schwierig ist auch die Aufgabe für Günter Jaedeke, der den Polen als Außenseiter sensibel darstellen muß ohne die Figur billig zu diskriminieren. Sehr begeistert dabei Matthias Welte als Sohn Helens.

Regisseur Arnold Preuß hat ein qualifiziertes Ensemble zusammengestellt. Sehr behutsam, aber zugleich sehr entschieden arbeitet er an der Inszenierung. Er charakterisiert immer wieder Situationen und Personen, ermutigt die Darstellerinnen und Darsteller zum äußersten Einsatz, lobt gelungene Szenen, macht Mut, achtet auf Spielfluß und Dynamik. Er kann begeistern.

Aufführungstermine: jeweils um 20 Uhr 17., 23., 24., 30.9., 1., 14.10; jeweils um 15.30 Uhr 24.09., 01.10.

Vater und Sohn Wiese bei einem klärenden Gespräch - wer hett hier denn woll de slechten Oogen? (Horst Jönck - Jürgen Tapken)

De Herr Puntila un sien Knecht Matti (NDE)

Niederdeutsche Erstaufführung
Festaufführung anläßlich des Großen Gemeinsamen Bühnentages

DE HERR PUNTILA UN SIEN KNECHT MATTI

(Der Herr Puntila und sein Knecht Matti)
Volksstück von Bertolt Brecht
Niederdeutsch bearbeitet und übersetzt von Arnold Preuß

Inszenierung: Georg Immelmann
Bühne: Ann-Kathrin Hillebrand
Kostüme: Ingrid Lause
Regieassistent: Willy Meinert
Musik: Martin Lingnau

Bühnenbau: Klaus Panka, Bernhard und Peter Bertram, Walter Borraß, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Uwe Rozga
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizient: Michael Müller
Souffleuse: Roswitha Bertz
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Johannes Puntila, Grootbuur - Klaus Aden
Eva Puntila, sien Dochter - Christine Fein
Matti Altonen, sien Fahrer - Arnold Preuß
De Ober - Michael Müller
Frederik, de Richter - Günter Boye
Eino Silakka, de Attache - Manfred Janßens
De Veehdokter - Horst Karstens
Emma Takinainen, de Smuggleremma - Brigitte Halbekath
Manda, de Afthekerdeern - Karin Heyel
Lisu Jakkara, de Kohdeern - Wilma Welte
Sandra, de Telefonistin - Margot Andrews-Jäkel
Een Arbeitsmann - Claus Miehlke
De Mickrige - Günter Jaedeke
De roode Surkalla - Ralf-Rüdiger Bayer
Laina, de Kööksch - Frieda Harms
Fina, de Stuvendeern - Antje Thomsen
Pekka, de Afkaat - Wilfried Pampuch
Anna, de Pröbstin - Herta Tapken
De Probst - Karl-Heinz Schröder
Kinner - Sandra Gechter, Björn Pampuch, Matthias Welte
Wooldarbeitslüüd - Lüüd van us Technik

Puntila (Klaus Aden) und Matti (Arnold Preuß) beim Besteigen des Hatalmaberges

WILHELMSHAVENER ZEITUNG von 3. April 1989

Das Niederdeutsche gibt Brechts Puntila große Wahrhaftigkeit

Wilhelmshavens Niederdeutsche Bühne setzte neuen Maßstab

von Barbara Schwarz

Sie hat sich an einen hohen Berg gewagt, eine über 20köpfige Seilschaft der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven: die Erstbesteigung des Hatelmaberges des Herrn Puntila. Aber unter Leitung eines erfahrenen Bergführers, Georg Immelmann, hat die niederdeutsche Truppe den Gipfel erreicht. Das von Immelmann angeregte Wagnis, Brechts Volksstück "Herrn Puntila und sein Knecht Matti" ins Plattdeutsche zu übertragen und zu spielen, ist glänzend gelungen. Bei der schwierigen Erstbesteigung ist um im Bild zu bleiben niemand abgestürzt. Im Gegenteil. Das nach der "Dreigroschenoper" meistgespielte Stück Brechts gewinnt im Niederdeutschen an Wahrhaftigkeit.

Der Brechtschen Kunstsprache ist durch die Übertragung ins Niederdeutsche durch Arnold Preuß eine Plastizität und Ausdruckskraft, eine Sprachschönheit und Poesie zugewachsen, die diesem künstlichen Volksstück Authentizität verleiht. Preuß hat mit großer Sprachbegabung und feinem Gefühl für Nuancen hier für die niederdeutschen Bühnen ein Stück erschlossen, das spielbar ist und beim Publikum auch ankommt.

Damit die Aufführung gelingt, bedarf es allerdings der sicheren Hand eines erfahrenen Schauspielregisseurs wie Immelmann, der auch die notwendige dramaturgische Erfahrung mitbringt. So verzichtete Immelmann weise nicht nur auf die finnischen Erzählungen, die auch mancher Profi Truppe schon peinlich daneben gerieten, sondern auch auf den Gesindemarkt, der das Stück unnötig in die Länge zieht. Immelmann konzentriert das Spiel auf die Fabel. Und das bekam der Aufführung sehr.

In betont ruhigem Erzählrhythmus wurde das Stück ausgebreitet und "pralles" Volkstheater auf Teufel komm raus sorgsam vermieden. Puntila und sein Knecht Matti wurden zu wahrhaftigen niederdeutschen Figuren. Klaus Aden gelingt es, die Proportionen zwischen dem betrunkenen liebenswerten Puntila und dem nüchternen bösen so in der Waage zu halten, daß beide Hälften seiner gespaltenen Persönlichkeit glaubhaft erscheinen. Arnold Preuß gibt der Figur des überlegenen Gegenspielers Matti eine in sich ruhende Sicherheit. Er ist nicht der glatte ehrgeizige Aufsteiger, als der Matti heute gern gezeigt wird, sondern ein Mann mit Wurzeln, die fest im Boden stecken und aus denen er seine Kraft zieht. Auch die Kraft, auf Puntilas attraktive Tochter Eva zu verzichten, die Christiane Fein wirklich fein und frisch spielt.

Überzeugend und sehr präsent Wilma Welte, die als Kuhmagd agiert, den Prolog spricht und in den kurzen Umbaupausen das Puntila Lied Paus Dessaus singt (am Piano Martin Lingnau). Es wurde entgegen einer üblich gewordenen Praxis glücklicherweise ebenso wenig gestrichen, wie die Ballade vom Förster und der Gräfin, die Immelmann dem Darsteller des roten Surkkala Ralf Rüdiger Bayer zuteilte. Auch Günter Boye als trunkener Richter, Manfred Janßen als affiger Attache und das Bräute-Quartett außer Wilma Welte noch Brigitte Halbekath als Smuggleremma, Karin Heyel als Afthekerdeern und Margot Andrews Jäkel als Telefonistin überzeugen.

Frieda Harms als wackere Kööksch, Antje Thomsen aus resche Stubendeern, Karl Heinz Schröder und Herta Tapken als spießiges ProbstPaar, Wilfried Pampuch als aalglatter Afkaat, Günter Jaedecke als Mickriger, Michael Müller als Ober, Horst Karstens als Veehdoktor, Klaus Mielke als Arbeitsmann und die Kinder Sandra Gechter, Björn Pampuch und Matthias Welte geben dem Spiel Farbe. Ästhetisch schön und praktisch zugleich das Bühnenbild von Ann Christin Hillbrand mit seinem Birkenwald und den weißen Nesselwänden samt "Brecht Gardine". Ansehnlich die stimmigen Kostüme von Ingrid Lause.

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven hat sich mit dieser Aufführung selber neue Maßstabe gesetzt.

Die Pröbstin (Herta Tapken), der Richter (Günter Boye) und Eva (Christine Fein)

NORDWEST-ZEITUNG

Gastgeber setzten Maßstäbe

Niederdeutsche Theatertage in Wilhelmshaven

von Ulrich G. Fischer

Wilhelmshaven. Dreh und Angelpunkt der Niederdeutschen Tage 1989 war die Aufführung der Gastgeber, der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven. Das lag vor allem an der Stückwahl: Die Wilhelmshavener spielten Bertolt Brechts Volksstück "Herr Puntila und sein Knecht Matti''. Das Werk hat einen herausragenden Platz in der europäischen Theaterliteratur. Brecht schrieb 1940 im Exil: "Das Volksstück ist für gewöhnlich krudes und anspruchsloses Theater... ;da gibt es derbe Späße, gemischt mit Rührseligkeiten; da ist hanebüchene Moral und billige Sexualität. Die Bösen werden bestraft, und die Guten werden geheiratet; die Fleißigen machen eine Erbschaft, und die Faulen haben das Nachsehen."

Mit dieser Art Volksstück wollte Brecht gründlich aufräumen. sagte, Volksstücke müßten im Zeitalter der Demokratie, in dem ja das Volk der Souverän ist, allererstes Theater sein. Die Wilhelmshavener haben bewiesen, daß es tatsächlich geht, nicht nur bei den Profis, auch bei den Laien. Arnold Preuß von der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven hat Brechts Volksstück in prachtvolles Platt übersetzt, und es gibt Augenblicke, in denen die niederdeutsche Aufführung besser ist als hochdeutsche Profiaufführungen, vor allem, wenn Puntila in seinen Anfällen von Nüchternheit, seinen Knecht anherrscht. Das Niederdeutsche ist da so rücksichtslos klar, daß Brecht vermutlich begeistert gewesen wäre, wie die Klassenunterschiede, auf die es ihm ankam, zur Sprache und zur Anschauung kommen. Die Mundart als Volkssprache aufzufassen, liegt ja nahe.

Das sollte man zumindest meinen. Doch die grundlegende dramaturgische Überlegung, welches Stück, welches Personal sich für das Niederdeutsche eignet, ließen alle anderen drei Bühnen, die in Wilhelmshaven gastierten, außer acht. Fast allen Figuren fehlte die innere Notwendigkeit, Niederdeutsch zu sprechen: Das war bei den von der Niederdeutschen Bühne Braunschweig aufgeführten "Valentinen" der Fall, bei "De Weg in'n Paradies" von Ina Nicolai, dem Gastspiel aus Kiel, und im Krimi von Knut Leers und Alfred Mayer, "Well har dar mit rekent?" von der Niederdeutschen Bühne Wiesmoor. Das Personal der letzten beiden Stücke war überwiegend mittelständisch geprägt. Es wirkte völlig unmotiviert, daß solche Bühnenfiguren platt, wahrscheinlicher, daß sie hochdeutsch sprechen. Diese dramaturgische Unbeholfenheit wird flankiert von Regisseuren und Bühnbenbildnern, die ihr Ideal in glatter Oberfläche suchen.

Nur bei den Schauspielern treten Naturtalente hervor. Berendine Niemeyer von der Niederdeutschen Bühne Wiesmoor übrwältigt mit ihrer Begabung fürs Komische und riß das Publikum immer wieder zu Szenenbeifall hin. Angesichts der krassen Leistungsunterschiede ergibt sich ein klares Resümee: Mit der Aufführung von Brechts "Herr Puintila im sien Knecht Matti" hat die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven Maßstäbe gesetzt, die Laientheater in den Küstenländern künftig nicht ignorieren dürften. Es könnte ihnen sonst zu recht vorgeworfen werden, sie fielen hinter einmal erreichte Standards zurück.

Matti (Arnold Preuß) prüft Eva (Christine Fein) - es schauen zu - Karl-Heinz Schröder, Anke Thomsen, Klaus Aden, Frieda Harms, Herta Tapken (verdeckt) und Günter Boye

JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 5. April 1989

Brechts "Puntila" wurde ein großer Erfolg

Niederdeutsche Bühne spielte meisterhafte Übersetzung ins Plattdeutsche von A. Preuß

Wilhelmshaven. Als Georg Immelmann, Intendant der Landesbühne Niedersachsen Nord, vor eineinhalb Jahren Bühnenleiter Arnold Preuß von der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven, den Vorschlag unterbreitete, den "Puntila" von Bertolt Brecht auf Platt zu spielen, hatte Preuß doch einige Zweifel, ob so ein Werk für das Niederdeutsche verwendbar ist.

Nachdem er die Geschichte von "Herrn Puntila und sein Knecht Matti" gelesen hatte, war der Bühnenleiter so begeistert, daß er sich daran machte, dieses Volksstück, das in Finnland entstand und spielt, ins Niederdeutsche übersetzte. Damit vollbrachte Arnold Preuß ein Meisterwerk der Übersetzung und ein Stück für anspruchsvolles Theater.

Und so konnten die Niederdeutschen am Sonnabend abend mit der Uraufführung und der Premiere von "De Herr Puntila un sien Knecht Matti" einen großen Erfolg verbuchen. Mit über 20 Darstellern gelang es der Niederdeutschen Bühne, für sich ganz neue Maßstäbe zu setzen, die weit über das übliche plattdeutsche Theater hinausgehen.

Regisseur Georg Immelmann hat die Geschichte von "Herrn Puntila" in neun Abschnitten inszeniert. Gespielt wird ein Stück, das einen Mann darstellt, der in betrunkenen Zustand sich gleich mit vier Frauen auf einmal verlobt, der seinem Fahrer Matti seine Tochter statt dem Attache zur Frau geben will und der, sobald er wieder nüchtern wird, sich in einen zähzornigen und brutalen Mann verwandelt.

Daß das Stück aus dem Finnischen kommt, merkt man der Übersetzung in keiner Weise an. Preuß' Darstellung der Volkskomödie läßt den Herrn Puntila vollkommen "niederdeutsch" erscheinen.

Für diese erfolgreiche Uraufführung waren aber nicht nur die gelungene Übersetzung und der Regisseur zuständig, sondern vor allem waren es auch die Darsteller mit ihren schauspielerischen Leistungen, die der Aufführung zum Erfolg verhalf. Klaus Adens Darstellung des in seinem Gemüt schwankenden Großbauern Puntila wirkte sehr überzeugend. Ebenso Arnold Preuß,der den Fahrer Matti spielte, beeindruckte in seiner Rolle, in der es darum ging, dem Puntila zu beweisen, daß er nicht mit sich herumspringen läßt wie das andere Gesinde. Die Rolle der PuntilaTochter Eva wurde von Christiane Fein in sehr natürlicher Weise dargestellt. Aber auch Manfred Janßen glänzte in seiner Rolle als hochnäsiger Attacheund ist es wert, aus der großen Schar der Darsteller besonders erwähnt zu werden.

Auch Wilma Welte sollte nicht unbeachtet bleiben, sie spielte die Rolle der Kuhmagd und war nicht nur für den Prolog zuständig, sondern sang während der kurzen Umbaupausen auch das "Puntilalied". Außerdem war sie für den Vorhang zuständig und spielte nebenbei noch die Verlobte von Puntila. Sie war wohl die Meistbeschäftigte bei dieser Aufführung. Der langanhaltende Beifall am Schluß der Aufführung jedoch war für das gesamte Ensemble der Niederdeutsche Bühne. Dies waren Michael Müller, Günter Boye, Horst Karstens, Brigitte Halbekath, Karin Heyel, Margot AndrewsJäkel, Claus Miehlke, Günter Jaedeke, Ralf Rüdiger Bayer, Frieda Harms, Antje Thomsen, Wilfried Pampuch, Karlheinz Schröder. Herta Tapken und die Kinder Sandra Gechter, Björn Pampuch, Matthias Welte. Jeder Einzelne an seinem Platz machte es möglich, daß dem Publikum Literatur in Form eines Volksstückes nahegebracht wurde, das ansonsten nur dem hochdeutschen Theater vorbehalten ist.

Die Bühne, die nach dem Bühnenbild von Ann Cchristin Hillbrand entstand, bot mit den weißen Birken und den vielen weißen Tüchern einen eindrucksvollen Hintergrund für diese Aufführung.


Sie treffen sich heimlich vor der Sauna - Matti (Arnold Preuß) und Eve (Christine Fein)

Goode Nacht, Fro Engel (1. WA)

1. Wiederaufführung (2), davor 1969/70 in anderer Übersetzung als "De Spökenkiekersch" gespielt

GOODE NACHT, FRO ENGEL

(Goodnight, Mrs. Puffin)
Komödie in drei Akten von Arthur Lovegrove
Niederdeutsch bearbeitet und übersetzt von Jürgen Pooch

Inszenierung: Günter Boye
Bühnenbild: Günter Boye

Bühnenbau: Alfred Christoffers, Bernhard und Peter Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein, Uwe Rozga
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizient: Helga Borraß
Souffleuse: Herta Tapken
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Heinrich Forster - Horst Jönck
Frau Forster, Forster 2. Ehefrau - Heidi Rausch
Deren Tochter - Luise Pampuch
Auch deren Tochter - Margot Andrews-Jäkel
Deren Sohn Klaus - Thorsten Könnecke
Bella, itl. au pair Mädchen - Maike Rosenberg
Walter Haller - Friedrich Müller
Hans-Uwe Hallter - Günter Jaedeke
Jürn Kaspter, ein Geschäftsfreund - Jürgen Tapken
Clara Engel - Hildegard Steffens

Ein Superauftritt als Fro Engel: Hildegard Steffens

JEVERSCHES WOCHENBLATT

Das zweite Gesicht, der Clara Engel

Großer Erfolg für Hildegard Steffens / Heute 2. Aufführung

Von Jutta Schmidt

Wilhelmshaven Einen riesen Applaus bekam Hildegard Steffens für ihre hervorragende Darstellung der Clara Engel in der Aufführung der Niederdeutschen Bühne "Goode Nacht, Froo Engel". Clara Engel, Hauptperson des Stückes, hat ein zweites Gesicht, wie man sagt. Sie besitzt die besondere Gabe, Er Traum vorauszu latsäch eintreten. Diese Tatsache bringt so einem "Spökenkieker" aber auch viel Arger ein. So wie in der englischen Komödie von Arthur Lovegrove, die von Ohnesorg Mitglied Jürgen Pooch ins Plattdeutsche übersetzt wurde.

Hier träumt Clara Engel von der Familie Förster, deren Tochter Ute in Kürze heiraten will. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die Einladungen sind bereits verschickt und das Brautkleid zur Anprobe fertig. Mit der Hochzeit wird auch gleichzeitig eine Firmenfusion stattfinden und alle sind zufrieden. Doch dann, eine Woche vor dem Trauungstermin erscheint Frau Engel bei den Försters. Wie ein Wirbelwind fegt sie durch die Familie und bringt alles durcheinander. Mit einem gewaltigen Redeschwall versucht sie den Forsters ihren Traum, ihre Gabe Ereignisse vorauszusehen, zu erklären. Doch wer glaubt schon einer alten fremdem Frau, die da einfach herkommt und zu einer Braut sagt, die Hochzeit findet nicht statt, entscheide dich für einen anderen!

Hildegard Steffens war eine meisterhafte Clara Engel, sie ging ganz in dieser Rolle auf. Durch ihre Darstellung der "Spökenkiekersch" bekam die Komödie erst den richtigen Schwung. Mit ihrem Temperament und schauspielerischen Können entlockte sie dem Publikum immer wieder Applaus auf offener Szene. Ihre Mitspieler hatten es nicht leicht da mitzuhalten. Aber auch hier hatte Günther Boye gute Mitstreiter auf den Spielplan gesetzt. Unter seiner Regie wurden Horst Jönck und Heidi Rausch das Ehepaar Förster, die es Clara Engel nicht einfach machten, sie von den tatsächlich eintretenden Geschehnissen ihres Traumes zu überzeugen.

Sohn Peter, sehr gut dargestellt von Thorsten Könneke, ist auf Anhieb von Clara Engel begeistert. Ebenso die Töchter Antje und Ute, gespielt von Margot Andrews Jäkel und Luise Pampuch. Auch der Bräutigam Hans Uwe Haller, hervorragend verkörpert von Günter Jaedeke, ist vom Traumausgang der Frau Engel mehr als begeistert und verbündet sich schließlich noch mit ihr. Vater Walter Haller (Friedrich Müller) hat natürlich Angst um die Firmenfusion und schenkt der "Träumerin" keinen Glauben. Jürn Kasper, ein Geschäftsfreund (Jürgen Tapken) und das Hausmädchen Bella (Maike Rosenberg) sind weitere Darsteller dieser überaus amüsanten Komödie.

Die nächste Aufführung ist heute abend um 20 Uhr im Stadttheater Wilhelmshaven. Weiter geht es dann am 4., 5., 12. und 17. März.

Bella, die kleine italienische Haushaltshilfe (Meike Rosenberg) bringt sowohl die Hausherrin (Heidi Rausch) als auch die Tochter (Luise Pampuch) ganz durcheinander

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

So wat van Spökenkiekeree

Hinreißende Hildegard Steffens als Froo Engel

Von Theodor Murken

Die von dem englischen Schauspieler Arthur Lovegrove mit dem Spaß an englischen Spukgeschichten 1950 verfaßte Komödie "Good night, Mrs. Puffin" gehört unter verschiedenen Titeln schon seit gut 20 Jahren zur plattdeutschen Literatur. Jetzt hat die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven das Stück in der neuen Übersetzung des Ohnsorg Bühnen Mitgliedes Jürgen Pooch zum zweiten Mal in den Spielplan mit dem neuen Titel "Goode Nacht, Froo Engel" aufgenommen.

Die "Spökenkiekersch" von Annemarie Beermann aus dem Jahre 1969 erlebte als "Fro Engel" in Hildegard Steffens fröhliche, jedenfalls das Publikum äußerst erheiternde Urständ. Jede Darstellerin gibt solch einer Charakterrolle ihre eigene Note. Hildegard Steffens konnte demonstrieren, daß sie sich in ihrer 40jährigen Bühnenlaufbahn von der jugendlichen Liebhaberin zur gereiften Charakterspielerin entwickelt hat. In der von Günther Boye besorgten Inszenierung der Komödie hatte sie die Aufgabe, eine mit der Gabe des Zweiten Gesichts auf urwüchsig Platt "Spökenkiekeree" belastete Frau darzustellen. Froo Engel kann nicht nur kommende Geschehnisse voraussagen, sondern macht dazu auch noch den Versuch, die Betroffenen von etwas Unabänderlichem zu unterrichten und sie darauf vorzubereiten, was das "Schicksal" mit ihnen vorhat.

Damit richtet sie natürlich allerhand an. Wie Hildegard Steffens das machte, war so echt und überzeugend, daß es schon gar nicht mehr wie "Theater" wirkte. Die "Fro Engel" war mit Leib und Seele in Hildegard Steffens hineingeschlüpft, hatte vollkommen von ihr Besitz ergriffen. Dazu kam dann noch ,daß sie nicht "aufs Maul gefallen" war, also die Gewandtheit ihres Sprechens, so daß sie einfach hinreißend wirkte. Natürlich geht es in dieser Komödie um Liebe und Hochzeit, die an einem zweiten Weihnachtstag stattfinden soll. Das tut sie auch, aber anders, als die Familien zweier Firmeninhaber es sich gedacht hatten.

Deshalb kommt ihnen der Besuch von "Fro Engel" auch äußerst ungelegen, vor allem der Familie der zu verheiratenden Tochter, besonders aber der exaltiert vornehm tuenden Mutter (Heidi Rausch mußte mit dem Gegensatz von deftigem Plattdeutsch und gezierter Vornehmheit fertig werden). Sie ist die zweite Frau von Heinrich Förster (Horst Jönck). Auch er ist darauf bedacht, Froo Engel schnell los zu werden, weil er sehr an der hochzeitlich geschäftlichen Verbindung zweier Firmen interessiert sein muß. Mit den Darstellern seiner drei Kinder (Luise Pampuch als Ute, Margot Andrews Jäkel als Antje, Thorsten Könnecke als Peter) kamen darstellerisch die charakterlichen Unterschiede zur Mutter und zweiten Frau gut zur Geltung.

Den offenbar ebenso an der Verbindung interessierten anderen Firmeninhaber Walter Haller spielte Friedrich Müller, seinen als Heiratsobjekt erwählten Sohn Hans Uwe verkörperte Günter Jaedecke. Wie dieser sehr treffend den jungen Mann abgab, der sich zunächst nicht sonderlich interessiert zeigte, dann aber aus sich herausging und Froo Engel dann noch für seine Ziele einspannte, war eine Meisterleistung der Aufführung und geht sicherlich auch auf das Konto der Regie.

Dank der von Hans Uwe bewerkstelligten Lösung ging denn schließlich auch Jürgen Tapken als der Geschäftsfreund Jürn Kasper als strahlender (neuer) Bräutigam aus dem Spiel hervor, das im Rahmen eines hellen, freundlichen von Günter Boye erdachten, von Marga Goldenstem ausgestatteten Bühnenbildes ablief. Bevor jedoch am Schluß Froo Engel nach ihrem neuen Traum der Untreue ihres Kulle auf die Spur kommen konnte, mußte Hildegard Steffens mit den übrigen Darstellern und Regisseur minutenlang immer wieder vor den Vorhang treten und dem stürmischen Beifall des fast voll besetzten Hauses in Empfang nehmen.


Auf den Schreck.... eine Tasse Tee, wenn´s denn etwas hilft? (v.l. Margot Andrews-Jäkel, Heidi Rausch, Luise Pampuch und Günter Jaedeke)

De möblierte Herr (1. WA)

1. Wiederaufführung (2), davor 1949/50 gespielt

DE MÖBLIERTE HERR

Schwank in drei Akten von Werner Schubert

Inszenierung: Albrecht C. Dennhardt
Bühnenbild: Albrecht C. Dennhardt, Arnold Preuß
Regieassistent Willy Meinert

Bühnenbau: Alfred Christoffers, Bernhard Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein, Erwin Hildebrandt, Uwe Rozga
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizientin: Helga Borraß
Souffleuse: Heidi Rausch
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Frau Käselau - Käthe Baumann
August Käselau - Horst Jönck
Fro Wulf - Hanna Christoffers
Mariechen Wulf - Marion Zomerland
Frollein Berta Bliesemann - Helga Lauermann
Joachim Grützkopf - Wilfried Pampuch
Max Kolbe - Arnold Preuß
Mücke - Willy Meinert
Sniedermeistersch Wimm - Rika Jung
Krawuttke - Ralf-Rüdiger Bayer
Olga - Christine Fein

Drei Tratschtanten op´n Dutt: Käte Baumann, Helga Lauermann, Hanna Christoffers

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Niederdeutsche: Gepfeffertes Theater

Erfolgreiche Premiere mit Schwank "De möblierte Herr" / Dennhardt inszenierte

Von Theodor Murken

Ein Schwank bedeutet in einem Theaterspielplan etwa das gleiche wie der Pfeffer in einer Speise. Er bietet die Möglichkeit, menschliche Schwächen nicht nur anzuprangern, sondern auch so auf die Spitze zu treiben, daß die durchschlagende Wirkung nicht ausbleibt. Bedeutende Mimen der Bühne, wie z. B. Max Pallenberg, sind damit berühmt geworden. An versierten Schwank-Dichtern hat es nicht gefehlt.

In der niederdeutschen Literatur gehört Werner Schubert zu ihnen. 1919 in Kiel geboren, nach dem Abitur Musikstudent, hat der Krieg ihm leider zu schnell Dirigentenstab und Feder aus der Hand genommen. Mit 20 Jahren mußte er Soldat werden, seit 1943 ist er vermißt. Er hat nicht einmal der Uraufführung seines Schwanks "De möblierte Herr" 1940 durch die Ohnsorgbühne miterleben können.

Was sich in diesem Schwank alles ereignet, läßt sich kaum erzählen, wenn man es nicht verwässern will: Ein junger Mann mietet sich in einem alten Mietshaus ein Zimmer. Er hat sich nicht nur einen anderen Namen zugelegt, sondern kapselt sich auch gegen die Umwelt ab. Das muß ja seine Gründe haben. Sicher hat er etwas auf dem Kerbholz, meinen die Frauen, seine Vermieterin und ihre geschwätzigen Nachbarn. Frauen gehen solchen Dingen gerne auf den Grund. Nicht nur das sie entwickeln hier solch eine blühende Phantasie, daß einem die Haare zu Berge stehen. Das geschieht im Treppenhaus und auch im Zimmer des möblierten Herrn, in dem die Frauen herumschnüffeln und von einem Schrecken in den anderen fallen. Dieser Übereifer zahlt sich denn auch aus für den möblierten Herrn.

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven traf eine kluge Entscheidung, diesen Schwank aus der Kiste herauszuholen. Gut war auch der Einfall, einem "Profi" des Theaters die Regie zu übertragne. Ein echter Schwank braucht das nun einmal. Daß Albrecht C. Dennhardt, unter stützt von Wilma Welte und Bühnenleiter Arnold Preuß, dafür der richtige Mann war, bewies die Premiere.

Dennhardt hatte die Darsteller so gut in seine Zange genommen, daß eine in jeder Beziehung temperamentvolle und straffe Aufführung zustande kam. Das Geschnatter der Frauen mit ihrem Getue, Verdächtigungen und Entdeckungen ging wie ein Schneetreiben auf das Publikum hernieder.

Krawuttke (Ralf-Rüdiger Bayer) passt im Hausflur immer auf alles und jeden auf

Es ist schwer, einen der elf Darsteller besonders hervorzuheben. Wenn wir den am Schluß nicht enden wollenden Beifall zum Maßstab machen sollten (und das können wir wohl), dann waren es ganz besonders Käthe Baumann als die Vermieterin Rosa Käselau, Hanna Christoffers als Nachbarin Fro Wulf und Helga Lauermann als das so hintergründige Frollein Berta Bliesemann, die aus ihren Rollen alles herausholten, was nur möglich war. Die Regie hatte ja auch offensichtlich Bedacht darauf genommen, neben allem Grobschlächtigen an Redeschwall auch manche Feinheiten nicht untergehen zu lassen, die ihre Wirkung denn auch nicht verfehlten. Daß August Käselau, der Mann der in Verdächtigungen sehr aktiven Vermieterin, gewiß nicht nur von den männlichen Zuschauern bedauert werden konnte, das machte Horst Jönck sehr glaubhaft.

Bühnenleiter Arnold Preuß war der möblierte Herr, der sich Max Kolbe nennt und es verstand, nicht nur Opfer zu sein, sondern am Schluß auch noch Sieger. Er wurde seine Olga (Christine Fein) los (was für das Publikum sehr beruhigend war, zumal sie einen anderen bekam) und machte mit Mariechen Wulf (Marion Zomerland) keinen schlechten Tausch. Und Rika Jung als Sniedermeistersche Wimm konnte nicht nur die Beschwipste echt mimen, sondern auch der Käselau noch ihre Meinung sagen.

Dann gab es noch Willi Pampuch als Bliesemanns heimlichen Liebhaber Joachim, Willi Meinert als Kunstmaler Mücke (auch mit seiner Gestalt für die Rolle gut ausgewählt) und Ralf Rüdiger Bayer als Hauswirt Krawuttke, der sich um die alte Sniedermeistersche kümmert. Ein Lob noch für das Bühnenbild nach der Idee von Dennhardt und Preuß, das Alter des Mietshauses durch die Jugendstilscheiben am Treppenhaus andeutend, ausgeführt von geschickten Händen unter der Leitung von Alfred Christoffers.


Im Hausflur ist kräftig was los...

JEVERSCHES WOCHENBLATT

Klatsch und Tratsch amüsierten das Premierenpublikum glänzend

Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven kommt auch nach Sande

Von Jutta Schmidt

Wilhelmshaven. Langanhaltenden Beifall erhielten am 2. Weihnachtstag die Mitglieder der Niederdeutschen Bühne für ihre Aufführung des Schwanks "De möblierte Herr". Zu dieser Premiere ihrer dritten. Inszenierung hatten die Niederdeutschen ein ausverkauftes Haus. Zwei Stunden erlebten die Zuschauer wie turbulent es in einem Treppenhaus zugehen kann, wo Tratsch und Klatsch regieren. Auch wenn der Schwank von Werner Schubert bereits 48 Jahre alt ist, an Aktualität wird er nie verlieren, denn "Sluderee", wo auch immer; wird es geben, so lange sich die Erde dreht. Aber nicht immer wird er so amüsant sein; wie bei der Einstudierung der Niederdeutschen.

Die neun Darsteller im Spiel waren bei der Rollenvergabe gut bedient worden. Ganz vornean standen die drei Nachbarinnen Rosa Käselau .(Käthe Baumann), Frau Wulf (Hanna Christoffers) und Fräulein Bliesemann (Helga Lauermann), die mit ihren Tratsch und Klatsch für allerlei Aufregung und Verwirrung sorgen. Sie. hatten als "tratschende Weiber" die Lacher schnell auf ihrer Seite und Applaus auf offener Szene gab es immer wieder. Seit Tagen schon verschwinden die vor der Tür abgestellten , Brötchen, und die Milch der Frau Käselau. Sie hat natürlich gleich ihren "möblierten Herrn", Max Kolbe (Arnold Preuß), in Verdacht, der sich doch recht mysteriös verhält. Doch Max Kolbe hat nur Augen für die Tochter der Frau Wulf, für Mariechen (Matton Zomerland).

Als , dann auch noch Olga (Christine Fein), die. verflossene von Max Kolbe und sein bester Freund Mücke (Willi Meinet) auftauchen, spitzt sich die Lage in dem alten Mietshaus zu, denn Max wohnt unter falschem Namen bei Frau Käselau, die ihn schließlich für einen Mädchenhändler und Mörder hält. So bleiben turbulente Verwechslungen nicht aus; die dafür sorgen, daß es im Treppenhaus hoch hergeht und das bei Tag und Nacht: Weitere Darsteller bei diene Aufführung waren Ralf-Rüdiger Bayer als Hauswirt und Joachim Grützkopp ' (Wifried Pampuch), als Hausfreund de jungfräulichen Berta Bliese mann. Ihr Auftritt als Sniedermeistersche Wimm war zwar nur kurz, doch Rika Jung war hervorragend. Den Mann von Frau Käselau spielte Hors Jönck. Die Regie bei diesem heiteren Stück führte Albrecht C. Dennhardt. Unter Mithilfe vor Wilma Welte und Arnold Preuß sorgte er wieder einmal dafür, daß die Premiere der Niederdeutschen Bühne ein großer Erfolg wurde. Bravo Rufe und tosender Beifall waren der Lohn des zufriedenen Publikums.

Weitere Aufführungstermine sind am Sonntag, 8. Januar; 15.30 Uhr und 20. Uhr Mittwoch; 11. Januar, Donnerstag, 12: Januar, (ev. Ge meindehaus Sande), Freitag 13. Januar (Agnes Miegel Schule), Freitag, 20. Januar Sonntag, 22. Januar, 15.30 Uh und 20 Uhr sowie Freitag, 27 Januar.


Max Kolbe (Arnold Preuß) ist froh, wenn er Olga (Christine Fein) endlich los wäre..

De Fährkroog (1. WA)

Wiederaufführung

DE FÄHRKROOG

Dramatisches Gleichnis in drei Akten von Hermann Boßdorf

Inszenierung: Arnold Preuß
Bühnenbild: Arnold Preuß
Regieassistent: Willy Meinert

Bühnenbau: Alfred Christoffers, Bernhard Bertram, Walter Borraß,
Karl-Heinz Goldenstein, Erwin Hildebrandt, Uwe Rozga
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizient: Willy Meinert
Souffleuse: Christine Fein
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
De Kröger - Horst Karstens
De Krögersch - Roswitha Bertz
De Knecht - Manfred Janßen
De Deern - Dagmar Karstens
De Gast - Thorsten Könnecke

Das Eröffnunsbild vom "Fährkroog"

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Beeindruckender Boßdorf Abend

Niederdeutsche Bühne spielte erfolgreich "De Fährkroog"

Von Theodor Murken

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven kann die Premiere von Hermann Boßdorfs dramatischem Gleichnis "De Fährkrog" am Sonntag als einen großen Abend verbuchen. Die Aufführung dieses Stückes, das zu den besten der niederdeutschen dramatischen Literatur gehört, stand der glanzvollen ersten Wilhelmshavener Aufführung dieses Stückes im Jahre 1920 mit Dr. Richard Ohnsorg als Kröger kaum nach.

Hermann Boßdorf schrieb dieses Stück im Ersten Weltkrieg und vollendete es 1917 "zwischen Schmerzen und Sorgen". Er, der schon 1921 im Alter von 43 Jahren verstarb, war von schwerem Leiden gezeichnet. Albrecht Janssen, der 1927, als Boßdorf 50 Jahre alt geworden wäre, sein Leben und sein Werk würdigte, schrieb über die Stellung Boßdorfs zum niederdeutschen Drama, er wollte es vom Materialismus befreien, alles Menschliche, alle Höhen und Tiefen ausschöpfen, aber wiederum im Endziel den Weg zur Höhe zeigen. "De Fährkrog" ist dafür das beste Beispiel: Die fünf Personen, die in diesem verrufenen Gasthof irgendwo an einem norddeutschen Fluß ihre Kämpfe miteinander austragen, symbolisieren das Menschenleben.

Die Inszenierung besorgte der Spälbaas der Niederdeutschen Bühne, Arnold Preuß, der auch das Bühnenbild bestimmte, den düsteren Raum des Kruges, um den der Sturm heult. Man erlebte eine straffe Aufführung, die in den oft kurzen Sätzen des Dichters die Handlung in eineinhalb Stunden vorantrieb. Hermann Boßdorf leitet das Stück mit einem Prolog ein. Für ihn schrieb er vor, er solle gesprochen werden bei "düsterer Speldäl, verdüsterten Toschauerraum, so dat man blot de Wöer hört, awer niks to sehn kriggt". Arnold Preuß ließ ihn vor dem Vorhang sprechen im Wechsel durch die fünf Darsteller mit dem Gesicht hinter einer Maske. Das war auch theaterwirksam, hatte aber den Nachteil, daß mancher Satz auch rein aktustisch nicht so intensiv eingehämmert wurde, wie Boßdorf es gewollt hat.

De Knecht (Manfred Janssen) macht sich an De Deern (Dagmar Karstens) ran.

Als der Vorhang sich hob, wurden die Zuschauer sofort in die unheimliche Atmosphäre des Fährkrogs versetzt durch die dunkle Szene, in die das "lütt schu Mädchen" (die Seele des Menschen verkörpernd) eintritt und, die Lampe entzündend, erschreckend den auf einem Stuhl sitzenden Knecht erblickt. Dieser bedeutet den Tod. Die Darstellerin des Mädchens, Dagmar Karstens, wurde ihrer ersten tragenden Rolle in jeder Weise gerecht, besonders in der Auseinandersetzung mit dem Knecht. Dieser Knecht von Manfred Janssen war wirklich der leibhaftige Tod, lang, knochig, mit kalkweißem Gesicht und harter drohender Stimme, dazu mit einer eindringlich wirkenden Aussprache des Plattdeutschen.

Der trinkwütige Kröger und die listige Krögersch als "Symbole" von Gier und allen niederen menschlichen Eigenschaften, wurden von Horst Karstens (der vielleicht für die nächsten Aufführungen das fehlerlose Sprechen noch etwas einübt) und, alle Küste der Verführung ausnutzend, von Roswitha Bertz verkörpert. Thorsten Könnecke hatte als der spät abends in den Fährkrog eintretende Gast als Mensch wie als Darsteller keinen leichten Stand. Er gefiel uns am besten im dritten Akt. Die Frühstückszene mit dem Knecht und die Auseinandersetzung um das Mädchen waren zweifellos auch darstellerisch Höhepunkte der Aufführung.

JEVERSCHES WOCHENBLATT

"En rug' Stück Wohrheit in en bunte Schal"

Boßdorfs spannendes Gleichnis von der Niederdeutschen Bühne erfolgreich aufgeführt

Von Jutta Schmidt

Wilhelmshaven. Als Hermann Boßdorf 1913 einen gesundheitlichen Zusammenbruch erlitt und der Arzt ihn bereits aufgegeben hatte, fühlte der Dichter selbst, daß seine Zeit für ihn noch nicht gekommen war. "Ich muß noch ein Drama schreiben", sagte Boßdorf, "über das die Welt die Augen aufreißen soll:' Und so entstand 1818 sein Meisterwerk "De Fährkroog". Die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven führte dieses spannende Schauspiel als zweite Inszenierung am Sonntagabend mit Erfolg auf: Doch "De Fährkroog" ist nicht nur ein spannendes Niederderdeutsches Schauspiel, sondern auch ein Gleichnis. Ein Spiegelbild unseres Lebens. Denn die Darsteller symboliesieren ein Menschenleben.

Der raffgierige Wirt (Horst Karstens) und die lasterhafte Wirtin (Roswitha Bertz) in ihrem Element

Und so heißt es in dem Prolog von Hermann Boßdorf: "Keen Bang ' du Minschenkind, dat wi di quälen. Mit wiese Lehr un billige Moral, Un di dien Tied mit frame Döntjes stehlen, Bi de di aewel ward, slukst du jem dal: En Glieknis blot un Bispiel wölt wi spelen. En rug' Stück Wohrheit in en bunte Schal. Und de dat faten kann, de mag dat faten; Un de dat nich kann, mag't ok bliwen laten! Fünf Darsteller brauchte Arnold Preuß, um dieses Gleichnis darzustellen. Einen für die Gier, einen für die Leidenschaft, einen für den Tod, einen für die Seele und einen für uns selbst. Denn der Fährkroog stellt unser Leben dar. Der Gast darin, das sind wir selbst. Die Menschen in dem Krug, die uns das Leben schwer machen, das sind der Wirt, der die Habgier verkörpert, und die Wirtin als die Leidenschaft. Der Knecht, das ist der Tod und die Seele erscheint als junges Mädchen.

Ein junger Mann, der für viel Geld Haus und Hof verkauft hat, kommt in den Fährkroog. Er will auf die andere Seite, den Zug noch erreichen der nach Hamburg führt, sein Ziel ist Amerika. Doch der Sturm läßt ein Übersetzen nicht zu. Er muß eine Nacht im Fährkrobg bleiben. Eine Nacht in der er nicht weiß, ob erträumt oder wacht. Der trinksüchtige und gierige Wirt versucht als erster an das Geld zu gelangen. Fast scheint es so, als würde es ihm gelingen, doch da erscheint die Magd (Seele). Sie warnt den Gast vor dem Wirt. Und dann versucht es die herrschsüchtige und triebhafte Wirtin. Aber auch der Knecht, der Tod, streckt seine Hand nach dem jungen Mann aus. Aber weder die Gier, noch die Leidenschaft oder gar der Tod kommen an ihr Ziel. Denn der Gast hört up ehr Stimm, de Deern de is sien Seel!

Die Darstellung der Leidenschaft verkörperte Roswitha Bertz hervorragend. Sie spielte eine triebhafte Wirtin, die alles getan hätte für eine Nacht mit dem jungen Mann. Manfred Janßen als der Tod war kaum wiederzuerkennen.Seine Verwandlung als glatzköpfiger Sensemann ist beeindruckend wie seine schauspielerische Leistung dieser Rolle. Horst Karstens' Auftritt als gieriger versoffener Wirt machte ebenso Eindruck auf das Publikum wie Dagmar Karstens und Thörsten Könnecke, die als Magd und Gast ihre Rolle mit Bravour meisterten. Langanhaltender Applaus war der Dank des Publikums für dieses außergewöhnliche Niederdeutsche Schauspiel, daß von den Mitgliedern der Niederdeutschen Bühne eindrucksvoll und meisterhaft vorgetragen wurde.

Weitere Aufführungstermine sind am 6., 12., 19., 20. und 27. November jeweils um 20 Uhr im Stadttheater. Außerdem am 3. 11. im Ev. Gemeindehaus Sande und am 25. 11. in der Aula der Agnes Miegel Schule.

De Gast (Thorsten Könnecke) muss sich mit dem gefährlichen Knecht/Dood (Manfred Janssen) auseinander setzen

De roode Ünnerrock (WE)

Wilhelmshavener Erstaufführung

DE ROODE ÜNNERROCK

Volkskomödie in fünf Akten von Hermann Boßdorf

Inszenierung: Horst Jönck
Bühnenbildentwurf und -maler: Herbert Ulbrich

Bühnenbau: Bernhard Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein,  Erwin Hildebrandt, Uwe Rozga, Klaus Panka,
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizientin: Annchen Warrings-Konken
Souffleuse: Karin Heyel
Requisiten: Marga Goldenstein, Helga Borraß

Rollen und Darsteller
Bohle Rickmers, twee Bröder - Wilfried Pampuch
Jülf Rickmers, op de Hallig - Arnold Preuß
Wessel Wessels, ehr Ohm Buur - Karl-Heinz Schröder
Maike Harder, een Wittfro - Wilma Welte
De Halligpaster - Claus Miehlke


Ohm Buur Wessels (Karl-Heinz Schröder) besucht Bohle (Wilfried Pampuch) und Jülf (Arnold Preuß) - nicht ganz ohne Hintergedanken

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Was ein roter Unterrock anrichten kann

Gelungener Auftakt der Niederdeutschen mit Boßdorfs "De rode Unnerrock"

Von Barbara Schwarz

Was so ein roter Unterrock alles anrichten kann, "dat is'n Büx!" So hätte es jedenfalls Jülf Rickmers ausgedrückt, der jüngste der Brüder Rickmers von der Hallig Lüttjeoog. Der Onkel der beiden Rickmers-Jungs packt den roten Unterrock unmittelbar nach dem Tod seiner Schwester, der Mutter von Bohle und Jülf, auf den Tisch und Hermann Boßdorf entwickelt um das provozierende Kleidungsstück herum eine hübsche Komödie. Uraufgeführt wurde sie am 26. November 1921 im Altonaer Stadttheater von der dortigen Niederdeutschen Bühne unter Leitung von Richard Ohnsorg.

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven brachte die inzwischen klassisch gewordene Komödie "De rode Unnerrock" jetzt zum Auftakt der neuen Spielzeit in einer sorgfältigen Inszenierung von Horst Jönck heraus. Das Premierenpublikum nahm die Aufführung mit viel Beifall auf.

Jönck gibt gleich in der ersten Szene den "twee unbedarften Walroßküken" Bohle und Jülf, Raum. Wilfried Pampuch in der Rolle des Ältesten, Bohle Rickmers, und Arnold Preuß als um ein Jahr jüngerer Bruder Jülf, können die wortkarge, langsambedächtige Art und Denkweise der Brüder so richtig schön ausspielen. Die beiden, so meint man, kann überhaupt nichts erschüttern. Nach langen sinnigen Überlegungen über den Tod der Mutter, gelangen die beiden schließlich zu der Erkenntnis: Es muß wieder eine Frau ins Haus.

Ihr Ohm Bur Wessel Wessels, Mutters einziger Verwitweter Bruder, hat aber bereits weiter gedacht. Die Neffen brauchen eine Frau im Haus auf der Hallig, er selber aber auch einen Erben. Der rote Unterrock sorgt schließlich trotz aller gegenteiligen Bemühungen des Halligpastors dafür, daß der, der das Geld hat, die Braut bekommt. Und noch etwas dazu. Da erinnert Hermann Boßdorfs Volksstück dann ein wenig an Marcel Pagnols 1931 entstandenes Volksstück "Fanny": Auch hier verschwindet der geliebte Mann für unbestimmte Zeit auf See und der Alte nimmt die verlassene Schwangere auf.

Bei Boßdorf ist der Fall allerdings etwas heikler; denn der dreimal durch alle Ohren geschlitzte Ohm Bur spielt im Grunde ja ein ganz böses Spiel mit seinen Neffen und der jungen Wittfro Maike Harder. Daß man ihm das als Zuschauer nicht übelnimmt, liegt an der herzlichen Schlitzorigkeit, mit der Karl Heinz Schröder den Ohm Bur zeichnet, aber auch an der etwas öligen Scheinheiligkeit, mit der Claus Miehlke den Halligpastor ausstattet und eben an den beiden Walroßküken.

Sie entzweien sich über die junge Frau, die ihnen der Ohm ins Haus bringt, völlig. Bohle und das macht Wilfried Pampuch glänzend kehrt den Hallig Herren heraus. Der sensiblere Jülf und das zeigt Arnold Preuß überzeugend zerbricht beinah daran und an der Liebe. Maike Harder, dem Jüngsten, Jülf, durchaus am ehesten zugeneigt, sieht mit ihm keine Zukunft; denn Jülf hat kein Geld. Wilma Welte gelingt die Darstellung der durchaus nicht unberechnenden jungen Wittfroo Maike Harder als differenzierte Charakterdarstellung. Sie verleiht ihr nicht nur sympatische Züge, so daß der mit Jülf mitleidende Zuschauer am Ende dann doch für ihn die See als die bessere Lösung ansieht.

Kein Stück, bei dem sich der Zuschauer auf die Schenkel schlagen kann, sondern ein Volksstück im Pagnol'schen Sinn, mit Humor, Herz und Schmerz. Das Ganze spielt in der guten Stube des Rickmerschen Hallighauses mit Blick aus dem Fenster in die weite Wattenlandschaft. Das ansehnliche Bühnenbild hat Herbert Ulbrich entworfen und unter Klaus Pankas Leitung haben es Bernhard Bertram, Walter Boraß, Erwin Hildebrandt, Karl Heinz Goldenstein und Uwe Rozga gebaut.

Der langanhaltende Beifall des Premierenpublikums galt allen an der Produktion Beteiligten, voran den Darstellern und Regisseur Horst Jönck.

Eine Frau im Haus (Wilma Welte) und schon gerät die sonst so heile Welt zwischen den Brüdern (Wilfried Pampuch und Arnold Preuß) gewaltig aus den Fugen

JEVERSCHES WOCHENBLATT

Ein unerwartetes Ende bei "De rode Unnerrock"

Niederdeutsche Bühne hatte einen hervorragenden Saisonstart

(js) Wilhelmshaven. Einen hervorragenden Saisonstart hatte die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven mit "De rode Unnerrock". Mit langanhaltendem Beifall entlohnte das Publikum die Darsteller und Organisatoren für ihre gelungene Aufführung der Komödie von Hermann Boßdorf. "De rode Unnerrock", niederdeutsche Volkskomödie, wer das hört, erwartet zunächst ein unbeschwertes Lustspiel, vielleicht sogar einen Schwank. Wer denkt da nicht an ein delikates Corpus delicti, das, im Hotelzimmer versehentlich liegengelassen, von einer eifersüchtigen Ehefrau entdeckt, zum Angelpunkt einer turbulenten Verwechslungsgeschichte französischen Einschlags wird? Weit gefehlt.

Als Boßdorf seine Komödie plante, hatte er am Anfang nur den Titel "De rode Unnerrock". Dies Kleidungsstück sollte darin aber eine ganz andere Rolle spielen als in der jetzt vorliegenden Hallig Komödie; es sollte geradezu ein treibender Faktor der Handlung sein. Der Dichter wollte eine Dorfklatschgeschichte in den Mittelpunkt stellen. Doch dann kam ihm eines Tages, "wie ein Blitz" die Idee: "Vier Männchen, ein Weibchen. Halligdöns." Und es entstand eine Komödie, die eine gewisse Spannung beinhaltet und einen Schluß parat hält, der für viele Zuschauer überraschend verläuft.

Das Stück führt uns in eine Welt, die der Dichter aus eigener Anschauung nicht kannte. Einsam und allein wohnen die beiden Brüder Rickmers auf einer Hallig. Draußen ist diesiges Wetter. Sie sitzen in der Stube und sprechen in abgerissenen Sätzen von der toten, guten Mutter. Und schließlich bekennen beide gleichzeitig: es muß wieder eine Frau auf die Hallig. Während sie noch reden, kommt ihr Ohm, der reiche Bauer Wessels, ein noch stattlicher Witwer von allerdings schon sechzig Jahren. Er hat den beiden "Walroßküken" allerlei mitgebracht: vor allen Dingen guten Rum und einen roten Unterrock. Für dieses Kleidungsstück haben die beiden aber keinerlei Verwendung; jedoch beim Grog klärt er die Jungen auf: er hat eine Haushälterin bestellt, und die soll den Rock als Geschenk haben. Allerdings schildert er diese Person als ein altes, häßliches, puckeliges, schielendes Weib, das schon vier Männer zu Tode geärgert hat.

Und so erscheint die junge Witwe Maike Harder, meisterhaft gespielt von Wilma Weite, auf der kleinen Hallig. Sie verwirrt nicht nur die beiden Rickmers Brüder Bohle und Jülf, ebenso hervorragend gespielt von Wilfried Pampuch und Arnold Preuß, sondern auch dem Halligpaster (Clans Miehlke) den Kopf. Aber auch der reiche Bauer Wessels (Karl Heinz Schröder) führt irgendetwas im Schilde. Die Ereignisse auf dem Eiland spitzen sich zu. Schier unerträglich wird die Situation auf der Hallig, als Maike ein Kind erwartet. Doch wer ist der Vater? Bohle, der ohne sie nicht mehr leben kann, oder Jülf der fast vor Liebe nach ihr vergeht. Vielleicht ist es auch der Paster, der bereits sechs Kinder hat und Witwer ist. Und da ist noch Ohm Bauer Wessels, der dringend einen Erben braucht für seinen Hof. Die Spannung bleibt bis zuletzt, dank der hervorragenden schauspielerischen Leistungen der Darsteller, bestehen. Die Aufführung hat ein Ende, das keiner erwartet!

Auch der Halligpastor (Claus Miehlke) macht Maike (Wilma Welte) Avancen

Stratenmusik (3. WA)

3. Wiederaufführung (4), davor 1932, 1953/54 und 1967/68 gespielt

STRATENMUSIK

Komödie in drei Akten von Paul Schurek

Inszenierung: Georg Immelmann a.G.
Bühnenbild: August Ahlers a.G.
Regieassistent: Jürgen Tapken
Musikeinspielung: Kuno Armbrust, Petra Biller, Georg Rector
vom Turn- und Musikverein Wilhelmshaven e.V.

Bühnenbau: Bernhard Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein, Erwin Hildebrandt, Norbert Ungermann, Klaus Panka
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizientin: Helga Borraß
Souffleuse: Hanna Christoffers
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Jan Lünk, erste Trompete - Arnold Preuß
Emil Spittel, zweite Trompete - Günter Boye
Hein Dickback, Baß - Klaus Aden
Greten Witt, Haushälterin - Marion Zomerland
Katrin, Nachbarin - Margot Andrews-Jäkel
Godemann, Gastwirt - Horst Jönck

Sie sind das Trio, dass schon im Foyer für gute Stimmung sorgt (Günter Boye, Arnold Preuß, Klaus Aden)

JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 28. März 1988

Das Spiel begann schon im Foyer

"Stratenmusik" beendete die Spielzeit der Niederdeutschen Bühne im Stadttheater

(js) Wilhelmshaven. Mit der Komödie "Stratenmusik", die am Donnerstag Premiere hatte, beendet die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater ihre erfolgreiche Spielzeit 1987/88. Bereits im Foyer erhielt das Publikum eine Kostprobe der "Stratenmusik". Die drei Straßenmusikanten des Theaterstücks empfingen ihr Publikum mit Musik. "Stratenmusik" ein Spiel voller Sehnsucht, eine Komödie voller Humor und tiefdenkenden Passagen, aber auch ein Märchen, in dem am Ende natürlich das Gute siegt. Ein Märchen, geschrieben am Anfang der 20er Jahre, als Straßenmusik noch ein Broterwerb war, der einen Musiker ernähren konnte.'In Paul Schureks Komödie ist es ein Trio, das sich mit "Stratenmusik" seinen Lebensunterhalt verdienen muß. Drei Menschen, die von Grund auf verschieden sind.

Da ist Jan Lünk, Trompeter, ein Menschen, der immer das haben möchte, was er gerade nicht besitzt. Voller Sehnen nach einem besseren Leben. Mit sich und seiner Umwelt unzufrieden. Oder der besinnliche Philosoph Emil Spittel, der die zweite Trompete spielt. Ihm geht alles viel zu schnell, der Verkehr auf den Straßen, die Politik, das ganze Leben. Und dem Dritten im Trio, dem Baßspieler Hein Dickback, ist eigentlich alles egal. Hauptsache er hat eine Kornflasche in der Tasche.

Die kleine Gemeinschaft, wird jäh auseinandergerissen, als Hein Dickback eine Schmuckkassette findet. Jan Lünk geriet außer sich, endlich kann seine Sehnsucht nach einem besseren Leben gestillt werden. Hein Dickback träumt von großen Mengen Alkohol, und nur der Philosoph will vom großen Glück nichts wissen.

Die Drei geraten für kurze Zeit von ihrem vorbestimmten Weg ab. Die Gemeinschaft droht zu zerbrechen. Jan Lünk läßt seine einst große Liebe Greten Witt, die den Straßenmusikanten den Haushalt führt, laufen. Sein Sehnen gilt der Nachbarin Katrin. Es kommt soweit, daß Lünk Greten aus dem Hause weist. Erst als er die Nachbarin endlich erobert hat, merkt er, was er an Greten verlor. Ihr Verlust ist schmerzlicher für ihn, als der Verlust der Schmuckkassette. Er muß Greten wiederhaben und bekommt sie auch. Und Greten schubst ihren Jan Lünk und seine beiden Mitspielerwieder "rin in dat lütt Stück Welt, dat die tometen is. Grot or lütt wat deit dat? Wenn wi dat man got makt, denn is dat got."

Mal schauen, wieviel sie eingespielt haben - Klaus Aden, Arnold Preuß und Günter Boye

Mit langanhaltendem Applaus dankte das Publikum den sechs Darstellern für ihre "Stratenmusik". Mit den leisen und lauten Tönen, die vielleicht bei den einen oder anderen etwas nachklangen, denn wer kennt es nicht das Sehnen nach etwas Besserem. Arnold Preuß's Darstellung als Jan Lünk war ebenso hervorragend wie Günter Boye als Emil Spittel. Ihm maß das Publikum besonderen Beifall zu. Aber auch Klaus Aden als Hein Dickback und Marion Zomerland als Greten Witt waren eine gute Besetzung für diese Rollen. Und mit Margot Andrews-Jäkel als Nachbarin Katrin und Horst Jönck als Handelsmann Godeman hatte Georg Immelman Schureks "Stratenmusik" eindrucksvoll inszeniert.

Weitere Aufführungstermine sind der 8., 13., 24. un 29. April ab 20 Uhr im Stadttheater. In Sande spielt das Ensemble am 21. April und in Fedderwardergroden am 2. April jeweils um 20 Uhr.


Greten Witt is as de Mudder för us - sagen die drei - v.l. Klaus Aden, Arnold Preuß, Marion Zomerland, Günter Boye

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Bravo Rufe für Günter Boye

Ein heiter melancholisches Märchen: Stratenmusik

Von Barbara Schwarz

Ein paar Groschen extra einstecken sollten sich die Freunde der Niederdeutschen Bühne, wenn sie jetzt zum Ende der Spielzeit Paul Schureks Komödie "Stratenmusik" besuchen; denn schon vor der Vorstellung spielen im Foyer des Stadttheaters die Straßenmusikanten auf: Jan Lünk (Arnold Preuß), der erste Trompeter, Emil Spiddel (Günter Boye), der zweite Trompeter, und Hein Dickback (Klaus Aden) mit dem Baß. "Ich hab' das Fräulein Helen baden sehn, das war schön..." und viele andere Melodien aus den goldenen Zwanzigern, in denen Paul Schurek seine märchenhafte Komödie um drei Straßenmusikanten und ihre kluge Hushollersch Greten Witt schrieb. Ein heiter besinnliches Spiel, einkleines Welttheater, ein wenig verwandt mit Molnars "Liliom" und Barlachs "Armem Vetter".

Georg Immelmann, Intendant der Landesbühne, erstmals als Regisseur bei der Niederdeutschen, blättert Schureks Bilderbogen mit sehr viel Sinn für liebevolle Details sorgsam auf, so daß die heitere Melancholie des Spiels voll erklingt. Eine Zeit wird lebendig, in der die Menschen in diesem Land die Erschütterungen des ersten großen Weltkrieges verdauen und mit Wenigem auskommen mußten. Den einen zerreißt es fast, der andere fügt sich in sein Schicksal und der dritte versucht Vergessen im Suff.

Den es zerreißt, den jungen Trompeter Jan Lünk, spielt Arnold Preuß. Er trifft genau den Nerv dieses Suchers, der sich nach Großem sehnt und mit dem kleinen Glück nicht bescheiden mag. Wie einfach scheint dagegen Hein Dickback angelegt zu sein. Für ihn besteht das Glück der Welt offensichtlich darin, sich vollaufen zu lassen. Klaus Aden läßt in seiner Darstellung neben aller Naivität auch etwas von der fast kindlichen Verzweiflung dieses Straßenmusikanten spüren. Emil Spiddel scheint der Weise zu sein, der große Philosoph, der mit dem Leben fertig wird, ihm die heitere Seite abzugewinnen versteht. Günter Boye zeigt h seiner hervorragenden Darstellung dieses alten Straßenmusikanten, daß Emil Spiddel sich dem Leben vor lauter Ängstlichkeit erst gar nicht stellt und sich mit seiner Philosophie ein Lebensgebäude zurechtgezimmert hat, in dem er existieren kann. Eine hinreißende schauspielerische Leistung, der mit Recht die Bravo Rufe des Premierenpublikums galten.

Greten (Marion Zomerland) und Katrin (Margot Andrews-Jäkel) Freundinnen werden sie nie

Marion Zomerland ist den Straßenmusikanten, ihren drei großen Kindern, eine liebevolle Hushollersch. Sie führt sie mal am sanften, mal an staffem Zügel. Margot Andrews Jäkel als Nachbarin Katrin verdreht Jan Lünk vorübergehend den Kopf und Horst Jönck wieselt als auf seinen Vorteil bedachter Hannelsmann Godemann durchs Spiel, für das August Ahlers wieder das Bühnenbild eine Wohnküche mit Möbeln aus den Zwanzigern und altem Küchenherd entwarf. Unter Immelmanns Regie hat die Niederdeutsche Bührie Schureks Klassiker in einer dichten, sehenswerten Inszenierung herausgebracht. Ein feinsinniges Märchen für groß und klein. Musikalisch unterstützt wurden die Niederdeutschen übrigens von Musikern des Turn- und Musikvereins Wilhelmshaven.

Laat us Lögen vertellen (WE)

Wilhelmshavener Erstaufführung

LAAT US LÖGEN VERTELLEN

Kriminalkomödie in zwei Akten von Alfonso Paso
Niederdeutsch von Dietrich Klassen

Inszenierung: Horst Jönck
B
ühnenbild: August Ahlers

Bühnenbildbau: Klaus Panka, Alfred Christoffers, Bernhard Bertram, Karl-Heinz Goldenstein, Erwin Hildebrandt, Uwe Rozga, Norbert Ungermann
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich

Beleuchtung: Peter Pfaus

Inspizient:
Michael Müller
Souffleuse: Helga Lauermann

Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Hella Canisius, eine leidgeprüfte Dame - Annchen Warrings-Konken
Karl-August Canisius, ihr leidgeprüfter Mann - Wilfried Pampuch
Lüder Grobeck, ein Freund - Ralf-Rüdiger Bayer
Lisa - Berta Brinkhoff
Jan, ein Dieb - Jürgen Tapken
Lüder Behrmann, sein als Pastor verkleideter Komplize - Willy Meinert
Frau von Hohenstein, eine Nachbarin - Rika Jung
Ein Man, welcher von der Polizei ist - Manfred Janßen
Zwei katholische Schwester, welche in Wirklichkeit Gauner sind - Günter Jaedeke, Michael Müller

Hella (Annchen Warrings-Konken) Lüder (Ralf-Rüdiger Bayer) und Karl-August (Wilfried Pampuch) erleben einen wirklich turbulenten Abend voller Überraschungen

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Niederdeutsche:  Nicks as Lögen

Spanische Kriminalkomödie der Niederdeutschen

Von Theodor Murken

Als sich bei der jüngsten Premiere der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven der Vorhang öffnete, sah man, wie in einem "gutbürgerlichen" Kaminzimmer die junge Frau des Hauses sich für einen festlichen Rosenmontagsabend zurechtmachte. Ihr war das Hausmädchen dabei behilflich.

Deren Rat, den teuren Schmuck doch lieber zu Hause zu lassen, erschien der Frau klug. Er war es auch, nämlich klug überlegt. Denn kaum war die Frau aus dem Hause, entpuppte sich das bescheidene und stille Hausmädchen als Komplizin eines Diebes.

Nun entwickelte sich, was in dem von Dietrich Klaassen mit dem Titel "Laat us Lögen vertellen" ins Plattdeutsche übersetzte Boulevard Stück des spanischen Dichters Alfonso Paso (1926-1978) zu einer Kriminalkomödie geworden ist. Darin spielt die Frau eines Strafverteidigers als "phantasievolle Dame" mit ihrer endlosen Folge von Lügen und lügenhaften Wahrheiten die dominierende Rolle. Zu erzählen, was in diesem Stück alles abläuft, wäre hier verfehlt, weil man kriminelle Dinge nicht ausplaudern sollte.

Der Gangster Jan (Jürgen Tapken) hat Lüder (Ralf-Rüdiger Bayer) in die Mangel genommen

Horst Jönck hatte als einer der neugebackenen Regisseure der Niederdeutschen Bühne zum dritten Mal die Aufgabe erhalten, ein Stück zu inszenieren, das ebenso als Komödie, mit der weisen Lehre, lieber nicht zu lügen, auch als Schwank angesehen werden kann. Die Aufführung mit lokalem Kolorit machte beides deutlich, das eine vor allem in dem harmonischen Ausklang des Stükkes, das andere in der fast unaufhaltsamen und flüssig verlaufenden Turbulenz mit allerhand Situationskomik.

Dabei hatten sowohl Annchen Warrings Konken als die lögenhafte Hella Canisius wie auch deren Hausmädchen auf der Bühne eine schwere Aufgabe zu bewältigen, Bertha Brinkhoff allerdings als das vom Dieb vermeintlich getötete Hausmädchen mehr dadurch, daß sie immer wieder hastig unter das Sofa geschoben, wieder hervorgeholt, heraus und hineingeschleppt werden mußte. Annchen Warrings Konken hatte sich im Gewirr von Lügen und unglaublichen Wahrheiten im Wechsel von List, Vorsicht und Verzweiflung zu behaupten. Daß ihr das gut gelang, bewies der Beifall, der gerade ihr zuteil wurde.

Neben diesen tragenden (und getragenen) Personen der Aufführung konnten sich aber auch die anderen Darsteller behaupten: Der leidgeprüfte Ehemann Canisius (Wilfried Pampuch) und sein nicht weniger geprüfter Freund Lüder Grobeck (Ralf Rüdiger Bayer). Natürlich auch Jürgen Tapken als der Dieb mit Namen Jan, grob, listig und flink wie ein Wiesel, und Willy Meinert als sein Komplize im Talar eines Pastors, den Jan wegen seiner Unschlüssigkeit auch noch außer Kraft setzen und hinwegschleppen muß.

Dass nur Frau von Hohenstein (Rika Jung) nichts merkt, denn unter dem Sofa liegt ja die Leiche des Hausmädchens (Berta Brinkhoff), Lüder (Ralf-Rüdiger Bayer) und Ernst - August (Wilfried Pampuch) mühen sich redlich, die Harmlosen zu spielen

Von den anderen vier Darstellern waren Rika Jung als Nachbarin Frau von Hohenstein, und Manfred Janßen als "Mann, welcher von der Polizei ist", noch an dem Geschehen mit beteiligt, während Günther Jaedeke und Michael Müller in ihrer Verkleidung als katholische Schwestern als letzte in die Falle liefen.

Das Bühnenbild von August Ahlers war unter der Leitung von Klaus Panka heiter ausgestattet. Und so dramatisch auch manche Szene der Aufführung dargestellt wurde, so heiter wurde doch oft Schlag auf Schlag das zahlreiche Publikum bewegt, und es feierte sogar stürmisch den Regisseur. Es sah dabei noch über einige Unebenheiten und Unsicherheiten zu Beginn der Aufführung hinweg, die sich bei den nächsten neun Aufführungen sicherlich ausgleichen werden.

Kiek mal wedder in (WE)

Wilhelmshavener Erstaufführung

KIEK MAL WEDDER IN

Musical von Heinz Wunderlich
Musik von Charly Niessen
Plattdeutsch Lore Moor

Inszenierung: Arnold Preuß
Bühnenbild: August Ahlers
Tanzeinstudierung: Ingrid und Norbert Kolbenstetter

Bühnenbildbau: Alfred Christoffers, Bernhard Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein, Erwin Hildebrandt, Norbert Ungermann,
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizientin :Annchen Warrings-Konken
Souffleuse: Frieda Harms
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Fro Carola - Brigitte Halbekath
Gesche - Christine Fein
Nelly - Wilma Welte
Pum - Margot Andrews-Jäkel
Reni, Nichte von Carola - Marion Zomerland
Mylita Kastel, een Schriftstellersch - Roswitha Bertz
Alfons Kühn, van´t Finanzamt - Günter Boye
Dr. Evers, van´t Boamt - Jürgen Tapken
Kamin, van´t Bezirksamt Nord - Horst Jönck
Wilke, van de Verkehrsplanung - Wilfried Pampuch
Below, van´t Ordnungsamt - Friedrich Müller
Fro Kamin - Karin Heyel
Fro Below - Hanna Christoffers
Tamme - Horst Karstens
Jonny - Claus Miehlke
Betty, Servierfrollein - Maie Rosenberg
Mandus, Klaverspeler - Martin Lingnau


WILHEMSHAVENER ZEITUNG

Trubel und Jubel bei Niederdeutschen

Weihnachtspremiere war ein voller Erfolg

Von Theodor Murken

Das Niederdeutsche Theater geht mit der Zeit. Nach Drama, Schauspiel, Komödie und "lustig Spill" hat es sich seit einigen Jahren auch dem Musical verschrieben.

Das stellt besondere Ansprüche an das Ensemble, vor allem musikalisch. Die Darsteller müssen nicht nur spielen und sprechen, sondern auch tanzen und singen können. Heinz Wunderlich, 1907 in Leipzig geboren, hat sich nach dem Kriege zu einem versierten anfangs hoch, dann auch plattdeutschen Textautor für das Musical entwickelt.

Das erste plattdeutsche Musical "Kiek mal wedder in" führte nun die "Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven" in der Wilhelmshavener Erstaufführung auf, nachdem ihm 1985 schon Wunderlichs "De schönste Mann von de Reeperbahn" voraufgegangen war. Anlaß war der 80. Geburtstag Wunderlichs.

Zu dem Text und den Liedern schrieb Charly Nießen die Musik. Die Liedertexte stammen von Benno Strandt und von Heinz Wunderlich selbst. Die plattdeutsche Bearbeitung übernahm Lotte Moor.

Im Tingeltangel "Kiek mal wedder in" dar is echt wat los

"Kiek mal wedder in" ist der Name eines Tingel Tangel Lokals. Es nennt sich "Kabarett", doch wird die Szene beherrscht von einigen "söten Deerns", die sich "Facharbeiterinnen in'n Alldeel Zärtlichkeit" nennen und für alle da sind "för den Millionär und ok för den Volontär". Daß diesem Lokal das Ende droht, indem das alte Haus am Hafen abgebrochen und einem Parkplatz weichen soll, gab dem Autor den Stoff, ein leidiges Kapitel der Gegenwart, den drohenden Abbruch schöner alter Häuser, zu verarbeiten.

Das Haus wird gerettet, indem es unter Denkmalschutz gestellt wird, und modernisiert, ohne daß es zu vieler Menschen Freude seinen Charakter verliert. So manche plattdeutsche Laienbühne wird kaum die Möglichkeit haben, ein Musical aufzuführen. Die Wilhelmshavener Niederdeutsche Bühne aber hat sich gerade in letzter Zeit so gut entwickelt, daß sie dieses Risiko wagen kann.

"Seeelbaas" Arnold Preuß hat es als Regisseur verstanden, alte und junge Mitglieder seines Ensembles so zusammenzuschweißen, daß er am 2. Weihnachtsfeiertag ein voll besetztes Haus gute zwei Stunden lang mit einer schmissigen Premiere und einem mitreißenden Trubel in einen wahren Jubel versetzen konnte.

Carola (Brigitte Halbekath) und Kühn (Günter Boye) kommen sich rasch näher

Brigitte Halbekath überzeugte als handfeste Wirtin

17 Darsteller standen auf der Bühne. Zeitweise füllten sie alle das zünftige und bunte Bühnenbild aus, nämlich jenes "Kabarett" mit dem einladenden Namen. August Ahlers hatte das Bühnenbild wieder entworfen und sechs Bühnenmitglieder unter der Leitung von Alfred Christoffers wendeten zu seiner Verwirklichung viel Fleiß und Liebe auf. Marga Goldmann stellte die Requisiten zusammen. Glaubhaft waren die Leistungen der einzelnen Darsteller, was vor allem von Brigitte Halbekathals handfester Wirtin Carola und von Christine Fein, Wilma Welte und Margot AndrewsJäkel roden Rollen der drei "säten Deerns"zusagen ist.

Roswitha Bertz spielte eine Schriftstellerin, die studienhalber in das Lokal kommt, während es sich bei den männlichen Gästen des Amüsierlokals um Beamte handelt, ausgerechnet aus Ämtern, die über das Schicksal des Hauses mit zu bestimmen hatten. Friedrich Müller, Wilfried Pampuch, Horst Jönck und Jürgen Tapken verstanden ihren Part auch gut und deutlich zu singen.

Die Taschen der Beamten sind leer

Dem Finanzbeamten Kühn, der so erfolgreich gegen den Abbruch des Hauses Sturm läuft, verleiht Günther Boye recht eindrucksvoll komödiantische Züge. Das Stück hat aber auch ein "Happy End". Der Baubeamte Dr. Evers (Jürgen Tapken) und die Studentin Reni, der Wirtin Nichte, finden zusammen und in der Rolle der Reni gab Marion Zomerland auch darstellerisch eine gute Figur ab.

Dann wirkten noch Karin Heyel und Hanna Christoffers als Beamtenfrauen, Horst Karstens und Claus Miehlke als recht lustige Originale, Maike RosenBerg als Serviererin und schließlich Martin Lingnau, der als Klavierspieler ein umfangreiches Pensum absolvieren mußte.

Es wurde frisch gesungen und getanzt, wobei Ingrid und Norbert Kolbenstetter für die Tänze verantwortlich zeichneten. Und wenn im Sprechen und Singen dies und jenes noch nicht so vollkommen war, so lag das wohl am "Premierenfieber" und tat der Gesamtinszenierung kaum Abbruch. Der Abend klang in 20minütigen Wiederholungen der Lieder aus.

Wenn nichts los ist, wird eben gestrickt - wer weiß, wofür (Wilma Welte, Margot Andrews-Jäkel, Christine Fein)