Klevemann speelt Lebemann (1. WA)
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- Veröffentlicht: Freitag, 16. Oktober 2009 17:18
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1. Wiederaufführung (2), davor 1958/59 gespielt
KLEVEMANN SPEELT LEBEMANN
(Der keusche Lebemann)
Schwank in vier Akten von Franz Arnold und Ernst Bach
Plattdeutsch von Erich Schiff
Inszenierung: Rudolf Sang
Bühnenbild: Hannes Kaebe
Souffleuse: Rika Jung
Beleuchtung: Theo Pottbacker
Inspektion: Berta Herpel
Frisuren: Rudolf Helmut Kunze
Rollen und Darsteller
Julius Mesenbrink* - Hans Macker
Max Klävemann* - Karl-Heinz Herpel
Meta, Mesenbrinks Frau - Annemarie Beermann
Wally Mesenbrink - Rosemarie Hinrichs
Lia Pellerina, Tänzerin - Ellen Beutz
Walter Kraftmeyer, Boxer - Enno Buß
Heinz Bremer - Karl-Heinz Bols
Tante Anna - Gisela Schmidt
Minna, Hausgehilfin - Erika Kaebe
Harm Schröder, Chauffeur - Arnold Fischer
* beide Inh. der Fa. Klävemann und Mesenbrink, Baustoffe
WILHELMSHAVENER ZEITUNG
Schwankartig und recht turbulent
Mit "Klävemann als Levemann" schloß erfolgreich die Spielzeit 1968/69 ab
von Gustav Remmling
W i l h e lm s h a v e n. Der beinahe klassisch zu nennende Schwank "Der keusche Lebemann" von Arnold und Bach, der schon unsere Großeltern begeisterte, erlebte in der Uberlragung von Erich Schiff als "Klävemann speelt Levemann" auf der Niederdeutschen Bühne im Stadttheater Wilhelmshaven eine vlelumjubelte, der Neuzelt und dem Wilhelmshavener Stadtkolorit prächtig angepaßte Wiederauferstehung.
Schwankartig turbulent ist die Handlung von dem braven Baustoff Firmenteilhaber, der auf Wunsch seines Kompagnons dessen Tochter Wally heiraten soll. Und da besagte Deern nur für Männer mit Vergangenheit schwärmt, muß eben ein Liebesverhältnis mit einem bekannten Filmstar konstruiert werden, das naturgemäß für den Pseudoplayboy .nicht ohne Folgen' bleiben konnte. Das alles wurde von Erich Schiff in so spritzigen Dialogen und knalligen Pointen dem niederdeutschen Jargon angepaßt, daß von Beginn an das gut besetzte Haus begeistert mitging und eine Lachsalve nach der anderen durch den Zuschauerraum prasseln ließ.
Speelbaas Rudolf Sang hatte es trotz Besetzungsschwierigkeiten wieder einmal geschafft, eine Inszenierung zustandezubringen, die der Turbulenz und Komik des Schwanks in jeder Hinsicht gerecht wurde. Schon die erste Szene, der witzige Dialog zwischen Frau Mesenbrink, deren Ehemann sich wieder einmal mit einem Flittchen die Nacht um die Ohren geschlagen hatte, und ihrer Hausgehilfin Minna zeigte in seiner typisierten Gegensätzlichkeit großes darstellerisches Gestaltungsvermögen: Annemarie Beermann prächtig lebensecht als über das Treiben ihres Mannes sehr verärgerte Kaufmannsfrau. Erika K a e b e ,urkomisch in der Art und Weise, wie sie neben ihrer häuslichen Verrichtung auch ihr lockeres Mundwerk betätigte und manch spitzfindige Bosheit über ihre Herrschaft vom Stapel ließ.
Neben diesem so köstlich gezeichneten weiblichen Paar stand noch ein zweites im Mittelpunkt begeisterter Zustimmung: Karl Heinz Herpel und Hans Macker, beide Inhaber der Baustoffirma Klävemann u. Mesenbrink, letzterer stets bemüht, aus geschäftlichen Gründen seine attraktive Tochter dem weltfremden Kompagnon für eine Heirat schmackhaft zu machen. Prächtig hatten die beiden hochtalentierten Laienspieler die Charaktere ihrer Rollen herausgearbeitet. Gegen diese mit allen Wassern jahrelanger Routine gewaschenen Darsteller hatte die Nachwuchsspielerin Rosemarie Hinrichs, die erstmalig auf der Bühne agierte, keinen leiten Stand. Aber sie schaffte es, aus der Rolle des Töchterchens Wally etwas zu machen. ihr Gegenspieler Karl Heinz Bols, dem diesmal die Rolle des modernen Beatle-Playboys Heinz Bremer, eines Freundes der attraktiven Wally, zufiel, ließ als Nachwuchsdarsteller weitere Fortschritte erkennen, wenn er auch in einigen Situationen etwas aufgelockert sein konnte.
Die im Textbuch vorgesehenen kleinen beiden Klatschrollen waren aus Besetzungsschwierigkeiten zu einer neueingefügten "Tante Anna" zusammengefaßt. Sie gab Gisela Schmidt die Möglichkeit, wieder eine köstliche Charakterstudie zu schaffen. Gisela Schmidt wählte dazu die Maske eines etwas überkandidelten, affektierten Familienmitgliedes, das sich über die Geschehnisse im Hause Mesenbrink zum Gaudium des Publikums nur allzu gern bemühte.
Erst im dritten Akt traten zwei gewichtige Persönlichkeiten des Schwanks in Erscheinung: die Tänzerin Lia Pellerina und ihr Verlobter, der Boxer Walter Kraftmeyer. Ellen Beutz gab der Rolle die Ausstrahlung einer hoheitsvollen Diva, die nur aus einer spontanen Laune heraus sich in die kleinbürgerliche Atmosphäre begibt, um den unbeholfenen Levemann Klävemann in seine Schranken zu weisen. So attraktiv die Gestaltung der Rolle auch war, so paßte sie dennoch nicht ganz in die Situation des Schwankes, der mehr eine karikaturartige Darstellung dieser Rolle verlangt. Damit würde sie auch glaubwürdiger zu ihrem Bräutigam, den Enno Buß mimte, gepaßt haben, der, wie gewohnt, das Premierenpublikum aus dem Häuschen brachte, wenn er als Boxer Walter Kraftmager lokomotivenhaft-kraftmeierisch in wütender Eifersucht über die Bühne walzte und die braven Spießbürger in Angst versetzte.
In der Nebenrolle eines Chauffeurs bewährte sich Arnold Fischer. Das Bühnenbild von Hennas Kaebe war dem Charakter des Stückes ausgezeichnet angepaßt. Es gab begeisterten Beifall.
Eine Prachtrolle für Karl-Heinz Herpel, der den Max Klävemann spielt. Hier mit Ellen Beutz, die die Tänzerin Lia Pellerina gibt und Enno Buß, der als Walter Kraftmeyer einen eifersüchtigen Boxer darstellt - eine Szene aus "Klävemann speelt Lebemann" - Spielzeit 1968/69 -
WIHELMSHAVENER RUNDSCHAU
Eine Prachtrolle für Karl-Heinz Herpel
Niederdeutsche setzt sich mit "Klävemann speelt Levemann" köstlich in Szene
von Ernst Richter
Mit einer wohlgelungenen Inszenierung des Schwanks ".Klävemann speelt Levemann" von Erich Schiff nach "Der keusche Lebemann" von Arnold und Bach, stellt die Niederdeutsche Bühne Rüstringen ihr letztes Stück der Spielzeit 1968/69 vor. Premiere war am vergangenen Sonnabend im Stadttheater. Es ist ein Spiel. das von der Situationskomik lebt, das mit Überraschungen nicht geizt, das sprühenden Humor verbreitet und dank der lnszenierung auf Wilhelmshavener "Örtlichkeiten" zugeschnitten wurde.
Groß in Form stellt sich Karl-Heinz Herpel als Max Klävemann vor, der gewolltermaßen die Rolle eines Lebemanns mimt und treffsicher die Pointen ausspielt. Hans Macker weiß mit stoischer Ruhe den Firmenchef Julius Mesenbrink darzustellen, der in listiger Schläue seinen Firmenteilhaber (den etwas einfältigen Max Klävemann) mit seiner Tochter Wally verheiraten möchte. Auch in die Enge getrieben, immer weiß dieser Mesenbrink (fast immer) einen Ausweg. Und das Publikum amüsiert sich köstlich. Denn Max Klävemann muß einen Mann "mit Vorleben" darstellen, um so der Wally imponieren zu können. Das Vorhaben gelingt : auch, wenn nicht plötzlich unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Diese zu beschreiben, hieß jedoch, die Spannung den Besuchern der folgenden Aufführungen zu nehmen.
Mit beherrschender Gestik und einiger Vehemenz spielt Annemarie Beermann Frau Meta Mesenbrink, die sehr schnell hinter die "geschäftlichen Nachtausflüge" ihres Mannes kommt. Als Nachwuchsdarstellerin gibt Rosemarie Hinrichs ihr Bühnendebüt und hat den Beifall auf ihrer Seite. Die kleine "Modenschau" am Rande ist hübsch anzuschauen. Noch ein Nachwuchsspieler stellte sich in dieser Premiere ins Rampenlicht: Karl Heinz Bols als Playboy Heinz Bremer. Auch er zeigt keine Unsicherheiten und erhielt anerkennenden Beifall. In den weiteren Rollen spielen Ellen Beutz die "sagenumwobene" Tänzerin Lia Pellerina und Enno Buß den Boxer Walter Kraftmeyer.
Vielleicht etwas zu überdreht bringt Gisela Schmidt die lebenslustige Tante Anna. Viel Spaß hat das Publikum mit Erika Kaebe in der Rolle der quicklebendigen Hausgehilfin Minna. Und Arnold Fischer schlüpft in die Chauffeurmontur des Harm Schröder. Allein die Aufzählung der langen Darstellerliste mag mit verdeutlichen. daß in diesen 120 Spielminuten allerlei passiert um "Klävemann speelt Levemann".
Die Regie hätte, wollte man nun unbedingt nach einer kritischen Anmerkung suchen, eventuell nach der Pause ein paar Szenen straffen können. Die Länge ist jedoch nicht störend. Die urwüchsige Sprache läßt die Besucher gern verweilen, es darf gelacht, es muß geschmunzelt werden. Schließlich nicht zu vergessen das hübsche und sorgfältig gebaute Bühnenbild: Die gute Stube bei Mesenbrinks. Mit dieser Vorstellung empfiehlt sich unsere Niederdeutsche Bühne sehr erfolgreich für die nächste Spielzeit.