Wenn de Hahn kreiht (3. WA)

3. Wiederaufführung (4), davor vor 1939, 1948/49 und 1956/57 gespielt

WENN DE HAHN KREIHT

Bauernkomödie in drei Akten von August Hinrichs

Inszenierung: Willy Beutz
Bühnenbild: Hannes Kaebe

Souffleuse: Erika Kaebe
Beleuchtung: Theo Pottbacker
Inspektion: Berta Herpel
Frisuren und Perücken: Rudolf Helmut Kunze


Rollen und Darsteller
Jan Kreyenborg, Gemeindevorsteher - Hans Macker
Gesine, seine Frau - Ellen Beutz
Lena beider Tochter - Rosemarie Ansarie
Wilhelm Tameling, Knecht - Enno Buß

Amtshauptmann Kröger - Horst Jönck
Gustav Piepers, Nachbarssohn - Klaus Aden
Peter Witt, Schneider - Heinrich Müller
Trina Witt, seine Frau - Gerda Jörss
Tierarzt Renken - Friedrich Müller
Wachtmeister Stindt - Waldemar Schröder


Willem Tameling (Enno Buß) hat immer eine Ausrede. Waldemar Schröder (als Polizist) und Horst Jönck schauen zu  - eine Szene aus "Wenn de Hahn kreiht" - Spielzeit 1971/72 -

WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 27. September 1971

Ewig junge Bauernkomödie

Niederdeutsche Bühne brachte  "Wenn de Hahn kreiht"

von Heinz Jacobs

Es hat gewiß seine Berechtigung, wenn die Leiter der niederdeutschen Bühnen über einen Mangel an neuen und zeitgemäßen Stücken klagen. Daß aber eine psychologisch klug aufgebaute und gut geschriebene Bauernkomödie auch heute noch viel Beifall findet, hat Willy Beutz genau gewußt. Deshalb eröffnete er die neue Spielzeit der Niederdeutschen Bühne "Rüstringen" mit August Hinrichs' Bauernkomödie "Wenn de Hahn kreiht" am Sonnabend vor einem vollbesetzten Haus. Wer dieses Stück, das auch verfilmt worden ist, kennt, weiß um die Verwandtschaft zu Heinrich von Kleists "Der zerbrochene Krug". August Hinrichs schrieb ein durchaus eigen empfundenes plattdeutsches Bühnenstück, aber man ist unwillkürlich versucht, den Dorfrichter Adam mit dem polternden und pfiffigen Gemeindevorsteher Jan Kreyenborg aus irgendeinem oldenburgischen Dorf zu vergleichen, wenn er sich krampfhaft und doch mit Erfolg bemüht, seinen nächtlichen Besuch bei der überhaupt nicht anwesenden Tochter des Schneiders Peter Witt zu vertuschen und dabei sogar der ihm vorgesetzten Obrigkeit ein Schnippchen schlägt.

Diesem Jan Kreyenborg gab Hans Macker Leben und Gestalt, wie man es sich nicht besser wünschen konnte. Ein vollblütiger Bauer stand dort auf den Brettern, in heillosen Nöten ob seines Seitensprungs, der zu nichts anderem führte, als zu einem schmerzhaften Stich mit einer Mistforke in die achteren Körperpartien und der doch so spürbare Folgen haben sollte. Absolut kein Tadel für die Ausdeutung dieses Parts. Großartig Gerda Jörß! Welch ein Wandel von der zarten, fast ätherischen Lilofee zur schlampigen, keifenden Schneidersfrau Trina Witt! Diese Frau hat den Mut zur Häßlichkeit und gab eine so großartige Probe ihres reifen Könnens, wie selten zuvor. Das war gekonntes Spiel und verdient ein Bravo!

Der Dritte im Bunde der weit herausragenden Darsteller war Enno Buß als landwirtschaftlicher Gehilfe Willem Tameling. Das war einst die Paraderolle des noch heute unvergessenen Fritz Hoopts in Oldenburg. Doch Enno Buß brauchte bei diesem großen Künstler, keine Anleihe zu machen. Er stattete den Part des bauernschlauen und offenbar alles wissenden Knechts mit so vielen eigenen Zügen aus, daß er mehrmals Beifall auf offener Szene bekam. Der dritte Akt war absoluter Höhepunkt durch das Auftreten Heinrich Müllers als vertrottelter und wehleidiger Pantoffelheld Schneider Witt. Das Publikum raste vor Vergnügen über die glänzende Auslegung dieser Rolle. Heinrich Müller findet immer wieder neue Gags und gewinnt immer mehr Freunde, ohne ins Klischee zu verfallen.

Erfreulich war es, Ellen Beutz wieder einmal auf der Bühne zu sehen. Sie machte aus der etwas farblos angelegten Rolle der resoluten Bäuerin Gesine Kreyenborg eine Frau und um das Glück ihrer Tochter besorgte Mutter, wie man sie sich nicht besser wünschen konnte. Rosemarie Ansari hat längst die Sicherheit einer erfahrenen Spielerin und wurde darum von Regisseur Willy Beutz mit Recht als schon vor der Ehe: naschende Tochter Lena des liebestollen Gemeindevorstehers Kreyenborg eingesetzt. Mit feiner Zurückhaltung bewältigte sie ihre Rolle als Liebende und den Seitensprung ihres Vaters ahnende Tochter.

Die Rolle des Tierarztes Renken, der nächtens die Begonien der Gemeindevorstehersfrau zertrampelt, als er aus dem Schlafzimmerfenster der schmucken Tochter Lena steigt, wurde von Friedrich Müller gut gemeistert. Waldemar Schröder hatte bei seiner Spielerfahrung und seinem Talent keine Not mit der Rolle des Wachtmeisters Stindt, und Horst Jönck brachte die nötige Forschheit als den "Kriminalfall" Witt untersuchenden Amtshauptmanns auf. Recht gut war auch wieder Klaus Aden als etwas töffeliger Gustav Piepers, der sich vergeblich um die Gunst der reizenden Lena bemüht und doch nur Ohrfeigen erntet.

Abgesehen von einer kleinen Entgleisung gegen Ende des zweiten Aktes, die jedoch nur Kenner des Stückes spürten und die geschickt überspielt wurde, war die Aufführung wie aus einem Guß. Man spürte lie erfahrene Hand Willy Beutz' bei der Inszenierung in jeder Szene. Das Bühnenbild von Hannes Kaebe war wie konnte es anders sein stilecht und ansprechend. Die gelungene Aufführung wurde mit langem Beifall für das gesamte Ensemble, für Regisseur Willy Beutz und Bühnenbildner Hannes Kaebe bedacht. Fürwahr, ein glänzender Start in die neue Spielzeit!

Kreyenborg (Hans Macker) wäscht seine Hände in Unschuld. Ob ihm Gesine (Ellen Beutz) und Willem (Enno Buß) glauben?  - eine Szene aus "Wenn de Hahn kreiht" - Spielzeit 1971/72 -

WILHELMSHAVENER PRESSE vom 27. September 1971

"Hahn" sorgte für gute Laune

(wg) Mit einem Hahnenschrei eröffnete die Niederdeutsche Bühne Rüstringen am Freitagabend ihre Spielzeit 1971/72. Diese Äußerung eines anonymen gefiederten Künstlers war für das Publikum die Einstimmung in eine Bauernkomödie, die schon als klassisches Werk des niederdeutschen Theaters gelten kann: "Wenn de Hahn kreiht", von August Hinrichs.

Man braucht heute unter Stammbesuchern nicht mehr viel Worte über den Inhalt dieser Komödie zu verlieren. Der Zuschauer weiß in der Regel, was ihn erwartet, und trotzdem findet dieses Spiel wie die anderen, hier mit Erfolg aufgeführten Werke des Oldenburger Autoren immer wieder sein Publikum. Die "Rüstringer", für die Willy Beutz diesmal die Regie besorgte und Hannes Kaebe das Bühnenbild schuf, gingen also mit einer gewissen "Vorgabe" ins Spiel und traten im Bewußtsein des fast sicheren Erfolges auch unbeschwert und erstaunlich unbefangen auf. Die Besucher in den vorderen Reihen bewunderten jedenfalls den großen Appetit, mit dem einzelne Akteure immer wieder ins, Brot bissen, obwohl doch gemeinhin Premieren eher auf den Magen schlagen sollen.

Hans Macker, Ellen Beutz und auch die junge Rosemarie Ansari gaben als Familie Kreyenborg ein treffliches Trio ab. Hinzu kam schon etwas zuviel Filou, um noch als "dösiger Knecht" Willem gelten zu können Enno Buß, der die Lacher immer auf seiner Seite hatte. Friedrich Müller stand als freundlicher Tierarzt stets über den Dingen, während Horst Jönck unterstützt vom "Wachtmeister" Waldemar Schröder geradezu den Prototyp des betriebsamen, humorlosen Amtshauptmanns lieferte. Klaus Aden als Nachbarssohn hatte seine beste Szene, als er dem Nebenbuhler gegenüberstand; da verriet er seine Stärken. Gerda Jörß und Heinrich Müller bildeten ein komisches Paar, beide in der Rolle der Witts eine Sehenswürdigkeit des dörflichen Geschehens.

Fast überflüssig zu erwähnen, daß das Publikum gut gelaunt den Heimweg antrat.

Das Ensemble von "Wenn de Hahn kreiht"  mit dem Regisseur (Willy Beutz - Mitte mit Regiebuch)  - Spielzeit 1971/72 -

Rheiderland Zeitung vom 19. Oktober 1971

Rüstringer Schauspieler stets herzlich willkommen

Ein herrliches Vergnügen für mehrere hundert Theaterbesucher

WERNER. Ein herrliches Vergnügen wurde einigen hundert Besuchern am Sonnabend in der Aula der Kreisrealschule Rheiderland bereitet, und die allseitig bekannte freundliche Parole "Es darf gelacht werden" brauchte an diesem Abend nicht besonders ausgegeben zu werden. Fast bis auf den letzten Platz war der wunderschöne Theatersaal mit erwartungsfrohen Menschen aus dem gesamten Rheiderland besetzt, und sie alle wurden für ihr Kommen reich entschädigt.

Das seit vielen Jahren unermüdlich und "unverzagt" wirkende Volksbildungswerk in Weener hatte eingeladen und erzielte, man kann es nicht anders sagen, mit der von der Niederdeutschen Bühne Rüstringen aufgeführten Bauernkomödie "Wenn de Hahn kreiht" einen Volltreffer! Mit diesem Stück von August Hinrichs, des vor fünfzehn Jahren verstorbenen Altmeisters niederdeutscher Bühnenkunst, hat die genannte Bühne vor einigen Wochen ihre Spielzeit erfolgreich eröffnet; in nächsten Jahr will sie ihren "Vierzigsten" mit einem großen Bühnentag entsprechend feiern.

Wenn dieser oder jener Theaterbesucher am Sonnabend in Weener zunächst gewisse Bedenken gehabt haben sollte mit dem Plattdeutsch aus dem Lande rund um den Jadebusen "Verständigungsschwierigkeiten" zu bekommen, so wurde er dieser Sorge schon bald nach dem lustigen ersten Hahnenschrei enthoben; die Rüstringer Schauspielertruppe ließ schnell deutlich werden, daß ihr Platt "fast" unser Platt links und rechts der Ems ist. Man mußte nur an diesem Abend vielleicht ganz besonders scharf zuhören und auf den Tonfall achten dann war der Kontakt zwischen Bühne und Zuschauerraum hergestellt.

Auf diese hohe Kunst, daß der berühmte Funke von der Bühne ins Parkett springen möge, verstand sich August Hinrichs geradezu meisterhaft; sonst würden seine Komödien "Krach um Jolanthe" oder "För de Katt" oder "Alltomal Sünner`° oder eben "Wenn de Hahn kreiht" nicht seit Jahrzehnten solche Aufführungserfolge landauf landab sein. Der gelernte Tischler und später so erfolgreich gewordene Roman und Stückeschreiber August Hinrichs kannte und liebte seine niederdeutsche Heimat und hatte seinen Landsleuten bei all ihrem Tun und Treiben wirklich "aufs Maul geschaut", und nur so konnten ihm derartige Komödien aus der Feder fließen. Er griff "hinein ins volle Menschenleben", und so fand er in Stadt und Land d i e Typen, die er brauchte; kaum einen Berufsstand ließ er aus, all seine Männlein und Weiblein jeder Altersstufe baute er in eine publikumswirksame Handlung ein. So erging es ihm auch mit dem lustigen Spiel "Wenn de Hahn kreiht". Wie plötzlich und "unprogrammgemäß" die ländliche Ruhe gestört werden und der häusliche Friede in mehreren Familien einen gehörigen Knacks bekommen kann, das erlebt der amüsierte Zuschauer in drei turbulenten Aufzügen innerhalb von zwei Stunden.

Wenn ein Gemeindevorsteher mit seinen Freunden eine "wichtige Versammlung" bis in die Morgenfrühe leiten muß, wenn ein beim ersten Hahnenschrei aus einem gewissen Fenster springender junger Mann ein paar Geranien zertritt, wenn bei einem delikaten Einbruchsversuch eine, Mistforke ihre Spuren an einem "schenierlichen" Körperteil eines ehrenwerten Bürgers schmerzhaft hinterläßt, wenn ein gefundener Stiefel und ein abgerissener Jackenknopf zu Verdächtigungen und zu lautem Gezeter und Gejammer führen, wenn geflunkert und verheimlicht wird, daß die Wände wackeln dann m u ß ja bald das ganze Dorf förmlich auf dem Kopf stehen . . .

Wie schließlich sich alles noch zum Guten wendet, das ist mit genialer Hand, mit sprühenden Ideen und unvergleichlichem Humor von August Hinrichs weitergesponnen ein köstliches Unterfangen! Immer wieder dröhnten Lachsalven durch den Saal, auf offener Szene wurde mehr als einmal Beifall gezollt, und nach dem versöhnlichen Ausklang wurden die Darsteller mit anhaltendem Beifall begeistert gefeiert. Unter bewährter Regie von Willy Beutz spielte die Laienspielschar aus Rüstringen wie aus einem Guß. Hans Macker war ein grantiger, aber auch pfiffiger Gemeindevorsteher; Ellen B e u t z , seine Frau, hatte keinen Respekt vor Amt und Würden; Tochter Lena (Rosemarie A n s a r i ) verstand es mit List und Liebe, ihr Ziel endlich zu erreichen. Dieses Ziel war Tierarzt Renken (Friedrich M ü l l er). Eine glänzende Rolle spielte Willem (Enno Buß), der humorvolle und gewitzte Gehilfe auf dem Hof des. Gemeindevorstehers Jan Kreyenborg. Weitere Mitwirkende waren: der etwas steife und eckige Amtshauptmann Kröger (Horst J ö n c k ), der dienstbeflissene Wachtmeister Stindt (Waldemar Schröder), der liebebedürftige und immer wieder abgewimmelte Nachbar Gustav (Klaus Aden), der angstschlotternde Schneider Peter Witt (Heinrich M üller) und seine draufgängerische Frau Trina( Gerda J ö r ß ).

Hannes Kaebes Bühnenbild paßte so recht zur Handlung; es trug mit zum Erfolg dieses großartigen plattdeutschen Theaterabends in Weener bei. Die Rüstringer Schauspielertruppe wird man auch in Zukunft im Rheiderland mit Freuden willkommen heißen. (Ke)

Noch scheint keine dunkle Wolke das idyllische Familienfrühstück zu trüben.  Von links Gesine (Ellen Beutz), Tochter (Rosemarie Ansari) und Kreyenborg (Hans Macker) - eine Szene aus "Wenn de Hahn kreht" - Spielzeit 1971/72 -