...un baven wahnen Engel (1.WA)
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- Veröffentlicht: Freitag, 16. Oktober 2009 18:53
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1. Wiederaufführung (2), davor 1966/67 gespielt
....UN BAVEN WAHNEN ENGEL
Lustspiel in drei Akten von Jens Exler
Inszenierung: Wilma Welte
Bühnenbild und - maler: Herbert Ulbrich
Bühnenbildbau: Bernhard Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein, Erwin Hildebrandt, Norbert Ungermann, Klaus Panka
Beleuchtung: Peter Pfaus, Erwin Telgmann
Inspizientin: Helga Borraß
Souffleuse: Annchen Warrings-Konken
Requisiten: Marga Goldenstein
Rollen und Darsteller
Helene Engel - Käthe Baumann
Elvira Engel - Herta Tapken
Klaus, ihr Neffe - Jürgen Tapken
Herr Schlüter, ein Nachbar - Karl-Heinz Schröder
Karen, seine Tochter - Luise Pampuch
Alma Fritsche, eine Nachbarin - Frieda Harms
Herr Babbel, Hauswirt - Horst Karstens
Ein herrliches Paar - die Geschwister Engel - Käte Baumann, Herta Tapken
JEVERSCHES WOCHENBLATT
Das psychologische Klopfen der beiden Engel
Gelungener Saisonstart der Niederdeutschen mit "...un baben wahnen Engels"
Von Jutta Schmidt
Wilhelmshaven. Eine Dachgeschoßwohnung, wie sie in vielen Mehrfamilienhäusern zu finden ist: Eingerichtet mit Möbeln, die jedes Antiquitäten-Liebhaberherz höher schlagen läßt und wie sooft viel zu klein. Hier wohnen Helene und Elvira Engel, zwei ältliche, vom Schicksal etwas stiefmüterlich behandelte Schwestern. Ihr Ziel ist es, die eine Treppe tiefergelegene Wohnung zu bekommen. Mit jeder möglichen List.
Weil Hauswirt Babbel (Horst Karstens) die Wohnung wieder einmal anderweitig vermietet hat, kümmern sich die Schwestern persönlich um das Freiwerden dieser Räumlichkeiten. Und so sitzen sie sich Tag für Tag gegenüber, die keineswegs fromme Helene (Käthe Baumann) und ihre von ihr unterjochte Schwester Elvira (Herta Tapken), mit einer Bibel in der Hand und schlagen auf den Tisch. Immer schön abwechselnd, Schlag für Schlag im Rhythmus, wegen der psychologischen Wirkung. Alle zehn Minuten dröhnt nun dieses monotone "Bumsen" durch das Haus. Allmählich werden die Mitbewohner nervös. Wo kommt bloß das Klopfen her?
Außerdem schlägt Helene Elvira vor, den Neffen Klaus bei sich aufzunehmen, damit eine größere Wohnung erforderlich wird. Klaus (Jürgen Tapken) von diesem Vorhaben seiner beiden, eher knauserigen Tanten überrascht, nimmt das Angebot an. Denn schnell merkt er, das irgendetwas nicht stimmt in der Dachgeschoßwohnung. Als er schließlich im Haus seine Jugendfreundin Karen (Luise Pampuch) wiederfindet, die mit ihrem Vater Herrn Schlüter (Karl Heinz Schröder) die Wohnung eine Treppe tiefer bewohnt, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Und immer mittendrin steht die "Schludersche" Alma Fritsche (Frieda Harms), die alles weiß, alles macht und im Grunde doch ein Teufel ist. Vom Kohlenklau bis zum Raubmord reicht die Palette der Geschehnisse in der kleinen Dachgeschoßwohnung, doch schon bald stellt sich heraus, "dat ünnen de Düwel haust un baven wahnen Engels".
Jens Exler, der im März dieses Jahres 72jährig starb, schrieb dieses spukhafte, turbulente Lustspiel bereits im Jahre 1963. Als Direktor einer großen Wohnungsbaugesellschaft hatte er oft genug die Gelegenheit, das Leben aus der Mieter-Perspektive zu betrachten. Schon vor 20 Jahren wurde, wie am Donnerstagabend erneut, ". . . un baven wahnen Engels" mit Erfolg von der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven aufgeführt. Diesmal ist es sicher auch noch einer anderen Tatsache zu verdanken, daß das Stück wieder ein Erfolg wurde. Denn zum erstenmal in der Geschichte der Niederdeutschen hat eine Frau am Regiepult Platz genommen. Wilma Welte, selbst seit 20 Jahren als Darstellerin dem Millieu vertraut, nahm die Inszenierung dieses Stücks in die Hand.
Eine glückliche Hand hatte sie schon bei der Auswahl der Darsteller. Käthe Baumann und Herta Tapken waren die ideale Verkörperung der Engel Schwestern. Mit ihrem psychologischen Klopfen, auf Plüsch-Sessel sitzend im schwarzbunten Kleid mit Spitzenkragen waren sie in nichts zu überbieten. Genau so hervorragend war Frieda Harms als "Schludersche" Alma Fritsche. Ihr Auftritt war stets wie ein Wirbelwind in der verstaubten Dachgeschoßwohnung, der sich wie ein Leitfaden durch das Geschehen schlengelte. Mit den weiteren Darstellern Jürgen Tapken, Karl Heinz Schröder, Luise Pampuch und Horst Karstens konnte Wilma Welte einen gelungenen Saisonauftakt verbuchen. Das Publikum dankte den Akteuren mit langanhaltendem Applaus.
Weitere Vorführungen sind in Wilhelmshaven am 20. und 26. September, 3., 4. und 11. Oktober im Stadttheater. Am 9. Oktober in der Agnes-Miegel-Schule und am 8. Oktober im Ev. Gemeindehaus Sande, jeweils um 20 Uhr:
Alma Fritsche (Frieda Harms) schludert gern, das wissen aber Karen (Luise Pampuch) und Klaus (JürgenTapken)
WILHELMSHAVENER ZEITUNG
Großer Erfolg für Premiere: .....un baven wahnen de Engel
Regisseurin Wilma Welte gab der Inszenierung Tempo
Von Theodor Murken
"baven wahnen de Engel" wo sollten sie auch sonst wohnen als im Himmel? Zumal sie auch noch Engel heißen. Nur mit dem Unterschied, daß die kleine Dachwohnung, in der sie ihr bescheidenes Leben führen, für sie alles andere als ein Himmel ist und sie dazu auch noch anderen Bewohnern unter ihnen das Leben schwer machen.
Aber was wäre schon die Welt, wenn wir alle Engel wären? Jens Exler, der verstorbene Flensburger Komödiant und Autor, hätte, wie schon viele plattdeutsche Stücke, auch dieses Lustspiel nicht schreiben können, um wieder einmal die Kanaille im Menschen und alle seine vielen Schwächen zu entlarven. Was es mit den "Engeln" auf sich hat, was sie treiben. was sie anrichten. das sollte hier nicht verraten werden. Jens Exler weiß mit seinen Personen umzuspringen, und das in diesem Stück so geschickt. daß es im letzten Akt so recht "dicke kommt" und mancher der Hörer in der Premierenvorstellung im Stadttheater sich gefragt haben mag: Wie soll das alles noch enden? Aber es endet.
Dafür sorgte schon das flotte Spiel der sieben Darsteller der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven. Bei den Niederdeutschen weht ein frischer Wind. Das wies schon das Programm aus. Zum ersten Mal hatte auch ein Mitglied der Bühne das Bühnenbild entworfen. Herbert Ulrich: das Wohnzimmer zweier alter Tanten (jene mit Namen Engel) mit altertümlichen "Vertikov" und Sofa von fünf Bühnenbildnern unter Leitung von Klaus Pauka ausgeführt. Die Regie hatte zum ersten Mal eine Frau: Wilma Welte, seit 10 Jahren Mitglied der Bühne, aus vielen Rollen bekannt. In den letzten Jahren war sie auch Regieassistentin und in Regie-Lehrgängen des Niederdeutschen Bühnenbundes sowie durch Regisseure der Landesbühne wurde sie auf ihre neue Aufgabe vorbereitet.
Nun zeigte sie, was sie gelernt hat, zeigte dabei aber auch gleich, daß Lernen allein noch nicht ausreicht. Es gehört auch eine Portion Theaterblut dazu. Daß sie darüber verfügt, bewies die Premiere. Wilma Welte bewältigte ihre nicht leichte Aufgabe, alle die widerstrebenden Kräfte des Stückes zusammenzuschweißen. Der Inszenierung gab sie nicht nur Schmiß und Tempo, sondern auch manche Feinheit und Nuance, die ihre Handschrift verriet. Allen Darstellern schien ihre Rolle auf den Leib geschrieben zu sein. Käthe Baumann als eine (scheinbar) so fromme Helene und Herta Tapken als ihre Schwester Elvira Engel hatten es wirklich "dick hinter den Ohren". Frieda Harms als die Nabersch Anna Fritsche übertraf die beiden "Engel" nur noch in ihrem großartig gemeisterten Redeschwall und ihrer Hintergründigkeit.
Daß das Maschinengewehrfeuer ihrer Worte vor allem auf den Hauswirt Babbel herabprasselte. stellte Horst Karsten vor die nicht leichte Aufgabe, alles mit Zorn und Resignation hinzunehmen. Vor allem war aber der Nachbar Schlüter das Ziel jener Attakke der beiden "Engel" und Karl Heinz Schröder mußte zeigen wie ihn schließlich deren Treiben zu zermürben drohte.
Aber alles hat ja einmal ein Ende, auch der ganze" Spuk" im Hause und Jürgen Tapken als der beiden "Engel" Neffe und Luise Pampuch als Schlüters Tochter Karen (natürlich ineinander verliebt) haben ihren großen Anteil daran, daß die Engel zwar ramponiert, aber ungeschoren davon kommen. Und vor allem: Das fastvollbesetzte Haus hatte großen Spaß an dem dramatisch lustigen Spiel.
Wo kommen bloß diese verdammten Klopfgeräusche her - fragen sich v.l. Herta Tapken, Horst Karstens, Karl-Heinz Schröder, Käte Baumann und Frieda Harms